Bachmut hart umkämpft: Warum die Stadt im Donbass für beide Seiten so wichtig ist
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Nach Angriffen steigen über den Außenbezirken der Stadt Bachmut Rauchschwaden in die Luft.
© Quelle: Libkos/AP/dpa
Seit Monaten schon ist die belagerte Stadt Bachmut in der Ostukraine Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen. Nun aber erhöhen Putins Truppen nochmals den Druck auf die Verteidiger. „Bachmut hält durch, trotz allem“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntagabend in einer Videoansprache.
Warum kämpfen beide Seiten so erbittert um die Stadt in der Region Donezk?
Bachmut war einst nur eine von vielen kleinen Industriestädten in der Gegend, ehemals zählte sie gut 70.000 Einwohner. „Ihre heutige Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, dass sie eine der am stärksten befestigten Städte in der Region Donezk war und in der Nähe der Frontlinie von 2014 lag“, schreiben Christian Mölling und Adrás Rácz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einem Beitrag für das ZDF. In jenem Jahr sei die Stadt bereits wochenlang von prorussischen Separatisten besetzt gewesen.
Gefechte um Bachmut und Soledar: Schwere Kämpfe in der Ostukraine dauern an
Im Osten der Ukraine wird weiter heftig gekämpft. Im Donbass und in der Region Charkiw sind zahlreiche Ortschaften unter Beschuss.
© Quelle: Reuters
Serhij Grabskyj, ukrainischer Militäranalyst und ehemaliger Oberst in den Streitkräften seines Landes, ist anderer Meinung: „Es geht ums Geld“, sagte Grabskyj gegenüber dem US-amerikanischen Sender CBC News. Insbesondere der Wagner-Gruppe, die vom Kreml den Auftrag bekommen habe, Bachmut einzunehmen, wurde eine „signifikante finanzielle Belohnung“ versprochen. Und der Chef der Söldnertruppe, der Putin-Vertraute Jewgeni Prigoschin, wolle beweisen, dass er im russischen Militärapparat eine wichtige Rolle spiele.
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„Putins Koch“ Prigoschin mit eigener Motivation
„Putins Koch“ selbst, wie Prigoschin wegen seines früheren Berufs auch genannt wird, lieferte kürzlich eine weitere Erklärung für das große Interesse Russlands an Bachmut. Die Stadt biete nämlich einen Zugang zu einem riesigen Tunnelsystem, in dem Truppen sowie Militärgerät sich verstecken könnten. „Das Sahnehäubchen obendrauf ist das Minensystem von Soledar und Bachmut, das eigentlich ein Netz unterirdischer Städte ist“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters aus Prigoschins Kanal auf dem Messengerdienst Telegram. Selbst Panzer könnten sich in diesen Tunneln bewegen, schwärmte der Militärunternehmer weiter.
Gegenüber Reuters vermuten US-Kreise jedoch vielmehr ein finanzielles Interesse der russischen Eliten. Denn in der Region lägen zudem Salz- und Gipsminen, die erträglich sein könnten. Ein US-Beamter unterstellte dem Kreml und seinem Vasallen Prigoschin gar eine „Besessenheit“ von Bachmut.
Bachmut gilt mittlerweile als „Fleischwolf“
Unterdessen, nach monatelangen Kämpfen, hat die ostukrainische Stadt den unrühmlichen Spitznamen „Blutmühle“ bekommen. Unzählige Soldaten sind bereits auf beiden Seiten ums Leben gekommen. Und Russland schicke immer mehr schlecht ausgebildetes und ausgerüstetes „Kanonenfutter“ in die Schlacht um Bachmut.
Russischer Verteidigungsminister kündigt weiteren Ausbau der Bewaffnung an
Russische Truppen hatten in der Region Bachmut im Osten der Ukraine zuletzt ihre Angriffe verstärkt.
© Quelle: Reuters
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Gegenüber CBC News bestätigte die Militärexpertin Karolina Hird vom US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) diesen Eindruck. „Die russischen Truppen werden in kleinen, unbedeutenden Siedlungen festgenagelt“, erklärte sie dem Sender. Und die Verluste, die Putins Truppen in der Region erlitten, würden mit den am schlechtesten ausgebildeten, mobilisierten Männern wieder ausgeglichen.
Aber auch die Ukraine habe bereits große Verluste in den monatelangen Kämpfen erlitten. Militäranalyst Grabskyj schätzte die täglichen Verluste unter den Streitkräften Kiews Anfang Dezember auf eine „halbe Kompanie“, oder 30 bis 50 Soldaten. Nur: Die Verluste der Russen dürften vier- bis fünfmal so groß sein.
Die hohen Verluste erklären sich auch damit, dass Bachmut aufgrund seines hohen Befestigungsgrads als leichter zu verteidigen gilt als das umliegende eher flache Land. Hierin birgt sich auch die Bedeutung der Stadt für die Ukraine. Denn würde man Bachmut verlieren, müsste man sich womöglich kilometerweit zurückziehen und den Russen große Geländegewinne überlassen, gibt die „SZ“ zu bedenken.
Nutzt die Ukraine Bachmut als Ablenkungsmanöver?
Militäranalystin Hird äußert zudem eine weitere Vermutung hinsichtlich der ukrainischen Motivation, die Kämpfe um Bachmut trotz aller Verluste fortzusetzen. Bereits bei der Schlacht um Sjewjerodonezk habe man gesehen, dass die Ukraine die monatelangen Kämpfe als eine Art Ablenkungsmanöver nutzte. Denn plötzlich eröffneten die Verteidiger eine neue Front im Norden und Süden des Landes, wo die Russen Kräfte abgezogen hatten. Die Offensiven in jenen Regionen erwiesen sich dann als äußerst erfolgreich. „Ich denke, wir sehen den gleichen Effekt um Bachmut“, so die Expertin. Ob diese Strategie abermals aufgehen kann, ist fraglich.
Beobachtungen von Militärexperte Mölling zeichnen ein ähnliches Bild. Er erkenne derzeit kaum Bewegungen in den Kämpfen um die Stadt Bachmut, erklärte er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dafür seien aber bereits Vorbereitungen für neue Offensiven zu erkennen – auf beiden Seiten.