Verfassungsgericht zieht vollständige Neuwahl des Abgeordnetenhauses in Betracht
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/HR2WQFXFHRB5NA6CLEY32CEN2M.jpeg)
Aufgrund mehrerer Wahlpannen bildeten sich im vergangenen Jahr lange Schlangen vor den Berliner Wahllokalen.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Das Berliner Verfassungsgericht zieht eine vollständige Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl in Betracht, wie es in einer vorläufigen Einschätzung am Mittwochvormittag mitteilte. Das Gericht begründete dies mit der schlechten Vorbereitung der Wahl sowie weiteren schweren Fehlern.
Insgesamt gibt es 35 Einsprüche gegen das Wahlergebnis, in denen zahlreiche Pannen wie fehlende oder vertauschte Stimmzettel moniert werden. Über die Einsprüche der Landeswahlleitung, der Innenverwaltung und der beiden Parteien AfD sowie Die Partei haben die Richterinnen und Richter am Mittwoch verhandelt.
Außergewöhnliche Verhandlung
Dabei tagten die Richterinnen und Richter des Berliner Verfassungsgerichts erstmals außerhalb ihres Sitzes in der Berliner Elßholzstraße: Wegen des großen öffentlichen Interesses und der Vielzahl an Verfahrensbeteiligten wurde die Verhandlung in einen Hörsaal der Freien Universität verlegt, der für fast 600 Besucher ausgelegt ist.
Theoretisch hätten die Richterinnen und Richter schon am Mittwoch ein Urteil darüber fällen können, ob es zu einer vollständigen Neuwahl des Abgeordnetenhaus kommen soll. Laut Gesetz haben sie dafür aber bis zu drei Monate nach der Verhandlung Zeit. Ein Urteil wird im Zeitraum von November bis Dezember erwartet.
Vollständige Neuwahl für neues Abgeordnetenhaus nötig
Die Wiederholung der Wahl in vereinzelten Berliner Bezirken, in denen es zu Pannen gekommen ist, ist nicht möglich. Sollte ein verfassungswidrig zustande gekommenes Wahlergebnis festgestellt werden, könnte das nur durch eine vollständige Neuwahl des Abgeordnetenhauses geheilt werden.
Außerdem ist bei Wahlprüfungsverfahren die Frage entscheidend, ob Fehler am Wahltag mandatsrelevant waren – das heißt, ob sie Auswirkungen auf die Mandatsverteilung und auf die Zusammensetzung des Abgeordnetenhaus hatten. Dies bejahte das Gericht.
Neuwahl könnte Giffey ihr Amt kosten
Eine Neuwahl könnte zu einer Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse im Berliner Abgeordnetenhaus führen und sogar die derzeit regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ihr Amt kosten. Berliner Bürgermeister werden mit Mehrheit des Abgeordnetenhaus gewählt.
CDU hält Neuwahlen für notwendig
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak sieht vollständige Neuwahlen als den einzigen Weg, „um die zahlreichen Wahlfehler zu heilen und die demokratische Legitimität des Parlaments sicherzustellen.“
Die Schuld für die Wahlpannen vom letzten Jahr sieht der Abgeordnete beim Senat. „Niemand aus dem rot-rot-grünen Senat hat für dieses Desaster bislang politische Verantwortung übernommen“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Wahlpannen seien „dilettantisch und peinlich und einer Hauptstadt unwürdig“.
Auch der Landesvorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, sieht potenzielle Neuwahlen als längst überfällig: „Das einzig Gute an diesem Tag ist, dass die Berliner womöglich bald die Chance haben, mit dem SPD-geführten Senat Schluss zu machen“, twitterte er am Mittwoch.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Bundestagswahl könnte auch neu gewählt werden
Gleich vier Abstimmungen standen letztes Jahr am 26. September in Berlin an: Die Wahl des Abgeordnetenhauses, die zwölf Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), der Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen und auch die Bundestagswahl.
Parallel zum Berliner Verfahren steht auch über die Möglichkeit einer Neuwahl des Bundestags im Raum. Darüber wird der Bundestag – vermutlich im Oktober – auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses entscheiden. Gibt es Klagen gegen die Entscheidung, hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.