Besuch in Vietnam: Kanzler Scholz redet Klartext zu Russland und China
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Hanoi: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird von Nguyen Phu Trong (rechts), Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, empfangen.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Hanoi. Als der Gast aus Deutschland am Sitz des vietnamesischen Premierministers Pham Minh Chinh in der Hauptstadt Hanoi eingetroffen war und die Nationalhymnen verklangen, da übte sich Olaf Scholz erst einmal in Freundlichkeit. Der Kanzler bedankte sich für die Masken, mit denen Vietnam den Deutschen zu Beginn der Corona-Pandemie ausgeholfen hatte – wofür sich Deutschland später mit mehr als zehn Millionen gespendeten Impfdosen revanchierte.
Der SPD-Politiker hatte sich am Samstagabend auf den Weg zum G20-Gipfel begeben – und legte auf der langen Reise in den Indopazifik am Sonntag den ersten Zwischenstopp in dem knapp 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Land ein, das in deutschen Regierungskreisen „als große Mittelmacht“ gesehen wird. Zufall ist das nicht.
Vietnam ist größter Handelspartner Deutschlands in der Region
Die Wertschätzung basiert zunächst auf der Tatsache, dass Vietnam der größte Handelspartner Deutschlands in der Region ist. Es hat neben der Größe des Landes außerdem mit Geschichte zu tun. In der DDR lebten viele Menschen aus dem kommunistisch regierten Staat. Im vereinigten Deutschland sind es immer noch 180.000. Im akademischen Bereich gibt es starke Kontakte.
Der wesentliche Grund ist aber die neue Weltlage. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der dabei sichtbar gewordenen Abhängigkeit auch von China lautet das Gebot der Stunde aus Sicht der Ampelkoalition: Diversifizierung. Das prägte unter anderem die Pressestatements von Scholz und Chinh.
Vietnams Premier spricht von „strategischer Partnerschaft“
Der vietnamesische Premierminister rühmte, dass sich die Beziehungen gut entwickelt hätten. Er sprach von einer „strategischen Partnerschaft“ für eine nachhaltige Entwicklung, unter anderem beim Kampf gegen den Klimawandel und für erneuerbare Energien. Recht allgemein sagte Chinh ferner, dass man „Konflikte durch Friedlichkeit lösen“ müsse. Man konnte dies auf den Krieg gegen die Ukraine münzen, angesichts dessen sich deutsche Regierungskreise weniger Ambivalenz aus Vietnam wünschen würden. Bei den Abstimmungen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat sich das Land, das enge Beziehungen zu Russland unterhält, enthalten.
Von Vietnam wünschen wir uns eine klare Positionierung.
Olaf Scholz
über Russlands Krieg gegen die Ukraine
Scholz war an dem Punkt denn auch sehr unverblümt. Er lobte das bilaterale Verhältnis und stellte eine Intensivierung in Aussicht. Der Kanzler sagte mit Blick auf Russland und die Ukraine jedoch ebenso: „Von Vietnam wünschen wir uns eine klare Positionierung.“ Der russische Angriff stelle die internationale regelbasierte Ordnung infrage. Und auch im Indopazifik müsse „die Stärke des Rechts gelten und nicht das Recht des Stärkeren“. Kleine Länder könnten schließlich „nicht mehr sicher sein vor dem Verhalten ihrer größeren, mächtigeren Nachbarn“. Damit war China gemeint. Nicht zuletzt machte Scholz nach eigener Aussage die Menschenrechte zum Thema, die in dem autoritär regierten kommunistischen Staat nicht viel gelten.
Journalisten dürfen keine Fragen stellen
An der Stelle wäre es sicher interessant geworden, wenn Journalisten Fragen hätten stellen dürfen – was nicht der Fall war. Stattdessen wurden die Statements von vietnamesischen Vertretern im Saal mit Applaus quittiert. Und der Premierminister ging mit einem Lächeln.