Fashion-Ikone, Rebellin, Dame: Modeschöpferin Vivienne Westwood überschritt Grenzen
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Dame Vivienne Westwood nach der Entgegennahme ihrer Insignien vom Prince of Wales während einer Zeremonie im Buckingham Palace. Die britische Modedesignerin Vivienne Westwood ist im Alter von 81 Jahren gestorben.
© Quelle: Fiona Hanson/PA Wire/dpa
London. Ihr Einfluss war immens und ihre Arbeit nie vorhersehbar: Die britische Modeschöpferin Vivienne Westwood ist tot. Sie wurde 81 Jahre alt. Westwood sei am Donnerstag friedlich gestorben, teilte ihr Modehaus in sozialen Netzwerken mit, ohne eine Ursache zu nennen.
„Vivienne hat bis zum letzten Moment die Dinge getan, die sie liebte, designt, an ihrer Kunst gearbeitet, ihr Buch geschrieben und die Welt zum Besseren verändert“, hieß es in der Mitteilung. „Sie führte ein unglaubliches Leben. Ihre Innovationskraft und Einfluss über die vergangenen 60 Jahre waren immens und werden auch in Zukunft anhalten.“
Westwoods Mode-Karriere begann in den 1970er Jahren mit dem Aufkommen des Punk. Mit ihrer radikalen Herangehensweise eroberte sie die Welt im Sturm. Sie genoss eine lange Karriere, die von einer Reihe triumphaler Modenschauen in London, Paris, Mailand und New York unterstrichen wurde. Ihr Name wurde zu einem Synonym für Stil und Einstellung - wenngleich sich ihr Fokus von Jahr zu Jahr änderte. Ihr Spektrum war riesig und ihre Arbeit nie vorhersehbar.
Der Modebranche entwachsen
Mit wachsender Reputation schien sie der Modebranche zu entwachsen - ihre Schöpfungen fanden Eingang in Museen in der ganzen Welt. Als junge Frau hatte sie das britische Establishment verachtet, später wurde sie zu einer der führenden Persönlichkeiten und nutzte ihre elitäre Position, um sich für Umweltreformen einzusetzen. Ihre orange gefärbten Haare blieben dabei ihr Markenzeichen.
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Camilla, damals Herzogin von Cornwall, steht mit mit Dame Vivienne Westwood (l) für ein Foto zusammen. Die britische Modedesignerin ist gewohnt provokant gekleidet.
© Quelle: Chris Jackson/PA Wire/dpa
Andrew Bolton, Kurator des Costume Institute am Metropolitan Museum of Art in New York, sagte, Westwood werde dafür gefeiert, den Punk-Look vorangebracht zu haben, indem sie eine radikale Herangehensweise mit den anarchischen Punkklängen kombinierte, die von den Sex Pistols entwickelt wurden, die von ihrem damaligen Partner Malcolm McLaren gemanagt wurden.
„Sie haben der Punk-Bewegung einen Look, einen Style gegeben, und es war so radikal, dass es mit allem aus der Vergangenheit brach“, sagte er. „Die zerrissenen Shirts, die Sicherheitsnadeln, die provokativen Slogans. Sie führte die Postmoderne ein“, sagte er. „Die Punk-Bewegung hat sich nie aufgelöst - sie ist zum Teil unseres Fashion-Vokabulars geworden.“
Queen ehrte die Rebellin
Westwoods lange Karriere war voller Widersprüche. Sie war eine lebenslange Rebellin - die mehrmals von Königin Elizabeth II. geehrt wurde. Sie kleidete sich bis ins hohe Alter wie ein Teenager und wurde zur erklärten Fürsprecherin des Umweltschutzes, warnte vor dem Untergang des Planeten, wenn der Klimawandel nicht unter Kontrolle gebracht werde.
In ihren Punk-Tagen setzte Westwood mit ihrer Kleidung bewusst auf Schock-Effekte: T-Shirts mit Zeichnungen nackter Jungen, „Bondage-Hosen“ mit sadomasochistischen Anklängen. Der Übergang von Punk zu Haute Couture gelang ihr ohne Aussetzer: Ihre Karriere lief weiter, ohne dass sie dabei zur Karikatur ihrer selbst verkam.
„Sie versuchte stets, die Mode neu zu erfinden. Ihre Arbeit ist provokativ, sie ist grenzüberschreitend. Sie ist sehr stark in der englischen Tradition von Persiflage und Ironie und Satire verwurzelt. Sie ist sehr stolz auf ihr Englischsein, und trotzdem verhohnepipelt sie es“, sagte Bolton.
Eine ihrer grenzüberschreitenden und umstrittenen Schöpfungen zeigte ein Hakenkreuz, ein umgekehrtes Bild von Jesus Christus am Kreuz und das Wort „Destroy“. In einer mit Unterstützung von Ian Kelly geschriebenen Autobiografie sagte Westwood mit Verweis auf den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet, diese Arbeit sei Teil eines Statements gegen Politiker gewesen, die Menschen folterten.
Eine Frage des „Time“-Magazins in einem Interview im Jahr 2009, ob sie das Hakenkreuz-Design bereue, verneinte sie. „Tue ich nicht, weil wir zur älteren Generation nur gesagt haben: „Wir akzeptieren eure Werte oder eure Tabus nicht und ihr seid alle Faschisten““.
„Mode kann so langweilig sein“
Mit zunehmendem Alter schien sie des Lärms im Fashion-Geschäft teils überdrüssig zu werden und ihren Fokus auf Umwelt- und Bildungsprojekte verlagern zu wollen. „Mode kann so langweilig sein“, sagte sie der Nachrichtenagentur AP nach der Vorstellung einer neuen Kollektion bei einer Show im Jahr 2010. „Ich versuche, etwas Neues zu finden.“
Ihre Modenschauen zogen Stars an, die hofften, dass der Glanz Westwoods auf sie abfärbte. Westwood sprach sich dennoch gegen Materialismus und hervorstechenden Konsum aus. Sie appellierte sogar an Menschen, nicht ihre teure Kleidung zu kaufen. „Ich sage Leuten einfach, hört auf Kleidung zu kaufen“, sagte sie. „Wieso nicht das Geschenk des Lebens schützen, während wir es noch haben? Ich vertrete nicht die Haltung, dass Zerstörung unvermeidlich ist. Einige von uns würden das gerne stoppen und Menschen helfen, zu überleben.“
Westwood, die am 8. April 1941 in Glossop in der englischen Grafschaft Derbyshire geboren wurde, war eine modische Autodidaktin: Sie erhielt keine formelle Modeausbildung. Dem Magazin „Marie Claire“ sagte sie, sie habe sich das Schneidern als Jugendliche selbst beigebracht. Lediglich eine Kunstakademie besuchte sie für kurze Zeit. Sie hinterlässt ihren zweiten Ehemann Andreas Kronthaler und zwei Söhne.
RND/AP