Sauna ist Finnlands Exportschlager Nr. 1

Kulturgut - Voll im Leben statt reiner Luxus

Die Sauna gehört in Finnland zum Lebensgefühl: Sanfte Schläge mit Birkenzweigen gehören zum Spaß dazu.

Die Sauna gehört in Finnland zum Lebensgefühl: Sanfte Schläge mit Birkenzweigen gehören zum Spaß dazu.

Lahti/Jyväskylä. 5,5 Millionen Menschen, 3,3 Millionen Saunen: zwei Zahlen, die viel aussagen über eine Nation im hohen Norden Europas. Finnland, das stille Land zwischen Schären und Seenplatte, ist die Heimat von Menschen, bei denen die Entspannung zum guten Ton gehört.

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Zur Ruhe kommen, das ist in Finnland eine Tugend. Es ist fester Bestandteil der Erziehung und elementar in der Infrastruktur. Wenn die Finnen es darauf anlegen würden, könnten sie tatsächlich allesamt gleichzeitig Platz nehmen in den Saunen ihres Landes – und man möchte fast glauben, dass es zu manchen Gelegenheiten der Fall sein dürfte.

Kein Haushalt ohne Sauna

Ein Haushalt ohne Sauna? In Finnland ist das beinahe undenkbar. Jede Familie hat ihre eigene, ob in einer Blockhütte am See oder im Badezimmer integriert, ob holzbefeuert oder elektrisch betrieben. Die Sauna ist hier kein luxuriöses Beiwerk, sie ist vielmehr elementarer Bestandteil des Alltags. Noch mehr als das: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war es üblich, Kinder in der Sauna zur Welt zu bringen. Sie war stets der sauberste Ort im Haus, insbesondere dann, wenn es mit Nutztieren geteilt wurde. Zudem ließ sich die Sauna auf angenehme Temperaturen heizen.

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Saunamützen helfen dabei, die Hitze besser zu vertragen.

Saunamützen helfen dabei, die Hitze besser zu vertragen.

Die Sauna ist Treffpunkt der Familie. Eltern und ihre Kinder nutzen sie gemeinsam, Weihnachtsfeste werden hier eingeläutet, Gespräche geführund vertieft. Von klein auf wachsen die Finnen mit dem regelmäßigen Gang in die Hitzekammer auf – schon Säuglinge sind dabei, meist auf den unteren Bänken in einem kleinen Wasserbad. Selbst die Toten wurden in der Sauna aufgebahrt. Die Sauna begleitet die Finnen von der Geburt bis zum Lebensende. In ihr schließen sich Lebenskreise.

Gesellig und gesund

Dass die in Tausenden von Jahren gefestigte Tradition so sehr verankert ist im Leben eines jeden Finnen, macht sich weit über das Gemeinschaftserlebnis und das Angenehme hinaus bezahlt. Längst hat die medizinische Forschung bestätigt, dass der regelmäßige Saunagang gesundheitsfördernd ist. Entspannung, zur Ruhe kommen, Stressabbau – ganz klare Vorteile. Die heilende Wirkung des Saunierens führt jedoch weiter.

Das wurde vor einigen Jahren durch eine Langzeitstudie der Universität Ostfinnland bestätigt. Demnach sorgen regelmäßige Saunabesuche für die Erweiterung der Blutgefäße und können damit Bluthochdruck entgegenwirken. Die Risiken für plötzlichen Herztod oder Lungenerkrankungen werden verringert, sagen die Forscher.

Exportschlager und Touristenhighlight

Gesundheit und Geselligkeit – bei so viel positiver Assoziation verwundert es kaum, dass „Sauna“ das einzige finnische Wort ist, dem ein weltweiter Siegeszug gelungen ist. Wellness ist „in“, das Gesundheitsbewusstsein hat in großen Teilen der westlichen Bevölkerung an Stellenwert gewonnen. Sauna eignet sich daher nicht nur als Exportschlager für Finnland, die Tradition ist auch ein gewaltiges Pfund, mit dem die Tourismusbranche zwischen Helsinki und Rovaniemi wuchern kann.

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Das echte Erlebnis

Als „Sauna Region of the World“ (Welt-Sauna-Region) möchte sich insbesondere das gut erreichbare Zentralfinnland etablieren. Die Region rund um die Universitätsstadt Jyväskylä will sich ihren Ruf nicht mit ihren Wintersportangeboten und ihrer wald- und seenverwöhnten Umgebung sichern, sie hat sich auch auf internationales Publikum eingestellt, das das echte finnische Sauna-Erlebnis sucht.

Die traditionelle Variante: Bei der Rauchsauna qualmt es ordentlich beim Anheizen.

Die traditionelle Variante: Bei der Rauchsauna qualmt es ordentlich beim Anheizen.

Hotels und Ressorts schnüren Pakete

Zahlreiche Hotels und Ferienressorts haben Angebotspakete geschnürt, darunter das Holiday Centre Revontuli in Hankasalmi. Geschäftsführerin Tiia Valkama hat mit ihrem Vater ein Dorf aus „Mökkis“ (Hütten) am kristallklaren See auf Vordermann gebracht und bietet am dunkelsten Ort Zentralfinnlands, an dem die Chance auf Polarlicht-Sichtung erstaunlich groß ist, einen „Sauna Trail“ an, der Gäste mit den Gepflogenheiten und den wichtigsten Arten der finnischen Sauna vertraut macht – der Rauchsauna, der Zeltsauna und der elektrischen Sauna.

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Rauchsauna: Eine rußige Angelegenheit

Sechs bis sieben Stunden dauert es, bis die traditionellste Sauna bereit ist. Die „Savusauna“ oder auch Rauchsauna wird mit einem Holzofen auf Temperatur gebracht. Einen Kaminabzug hat sie nicht, vielmehr durchflutet der Rauch den Raum, bis er vollständig aufgeheizt ist. Anschließend werden die grauschwarzen Wolken über Lüftungsklappen hinausgelassen. Die Hitze hingegen bleibt, auch ohne Feuer. Sie ist beständig, selbst am Folgetag lässt es sich noch bestens schwitzen in der Savusauna. Damit der Ruß nicht allzu sehr auf die Besucher abfärbt, sitzen diese auf hölzernen Unterlagen.

Maaria Alén, Lehrerin aus Lahti, ist Saunaprofi mit samtener Stimme.

Maaria Alén, Lehrerin aus Lahti, ist Saunaprofi mit samtener Stimme.

Haben die Gäste Platz genommen in der aromatisch-rauchigen Hitzekammer, beginnt die Arbeit für Maaria Alén. Die Lehrerin aus Lahti gehört zu den unangefochtenen Expertinnen in finnischer Saunakultur, weiß die Verhaltensregeln in der Sauna bestens zu erklären – etwa diese: Jeder bleibt, solange er möchte, Saunieren ist kein Ausdauersport, Rekordversuche sind fehl am Platz. Manch einer sauniert bei nur 60 Grad, andere heizen auf 100 Grad hoch. Sanduhren an der Wand? Undenkbar!

Zur Abkühlung in den See

Wer mag, springt zur Abkühlung in einen der 188.000 Seen des Landes. Bei Wind und Wetter, auch bei Eis und Schnee. Wem die kühle Außenluft fürs Wechselbad reicht, der muss auch keine schrägen Blicke befürchten. Jeder, wie er mag. Mit ihrer sanften Stimme bringt Maaria ihren mit Filzhut bekleideten Besuchern zudem Historie und Mythologie der Saunawelt nahe; beim Singen von Liedern und Weisen entführt sie ihr internationales Publikum in eine eigene Welt fernab von Alltagsstress und Sorgen.

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Und immer wieder greift sie zur Schöpfkelle, kippt beherzt Wasser auf die heißen Steine. Es zischt gewaltig, Maaria nimmt eine Kelle mehr. Der „Löyly“, wie die Finnen den Aufguss bezeichnen, darf nicht zaghaft vonstatten gehen. Hier wird ordentlich eingeheizt, und dennoch – der Löyly in der Savusauna fühlt sich verhältnismäßig sanft an auf der schwitzenden Haut. Ganz anders hingegen wirkt der Aufguss in der Saunajurte. Die Hitze der Steine über dem Holzofen lässt das Wasser verdampfen und nach oben schnellen. Wenn der heiße Dampf über die Zeltwände nach unten strömt, verwandelt sich die mobile Sauna in ein Dampfbad. Je kälter es draußen wird, desto weniger lässt sich im Inneren sehen.

Saunen gibt in allen Formen, beispielsweise auf Booten, wie hier in Jyväskylä.

Saunen gibt in allen Formen, beispielsweise auf Booten, wie hier in Jyväskylä.

Gerade einmal vier Profis haben sich in Finnland auf das sanfte Schlagen mit Birkenbündeln („Vihta“ oder „Vasta“ genannt) spezialisiert; Maaria Alén ist eine von ihnen. Im Juni sammeln die Finnen in den Wäldern frische Birkenzweige und frieren sie in gebündelter Form ein. Rund ums Jahr werden sie aus der Gefriertruhe geholt und vor dem Saunagang in Wasser getaucht. Der aromatische Duft des frischen Grüns: unbeschreiblich. Vorsichtige Schläge mit den Bündeln auf die Haut sollen die Durchblutung fördern, den Stoffwechsel der Haut anregen. Maaria macht ihren Sinnesgenuss zu einem echten Erlebnis, wenn sie den Saunabesucher in Blätter hüllt und seiner Haut mit unterschiedlichen Zweigen zu Leibe rückt – selbst mit weniger geschmeidigen Baumarten wie dem Wacholder.

Erlebnissaunen im Trend

Auch öffentliche Saunen gibt es in diesem Land, das auf sie überhaupt nicht angewiesen ist. In den großen Städten sind Erlebnissaunen seit einiger Zeit voll im Trend. Im Hafen von Helsinki wurde vor wenigen Jahren ein architektonischer Blickfang ans Ostseeufer gesetzt, der sich inzwischen schon selbst in die Reihe der Sehenwürdigkeiten der lebendigen Hauptstadt einreiht – mit Saunen, Pools und Gastronomie in bester Lage. Prominenter könnte das Thema „Sauna“ kaum inszeniert werden als dort, wo die Reisenden von der Fähre gelassen werden. Der erste Eindruck ist auch hier der richtige.

SZ

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