Als Weber den Hund ausführte …

- Franz-Josef Weber hat seine Gedankenflüge bei seinen „Spaziergängen mit Little Dusty“ eingefangen. Foto: gmz
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gmz Siegen. Als Franz-Josef Weber, im Hauptberuf Geschäftsführer des Kunstvereins Siegen und bekannt für sein Faible für Dada und Konkrete Poesie, für experimentelle (Laut- und Leise-)Texte und serielle Sequenzen, im Januar 2007 mit seinem Hund Dusty spazierenging, kam ihm die Idee, ein Jahr lang „die Welt“ mit „als“-Sätzen zu beobachten. An diesen Vorsatz hielt er sich auch konsequent (mit einigen Durststrecken, wie er bekennt). Das täglich-serielle Ritual des Spaziergangs scheint die höchst individuelle Gestaltung der Gedanken zu beflügeln!
Als ein Jahr vergangen war, da stellte er seine Trouvailles als chronologisch nach Daten geordnete Loseblattsammlung zusammen (gedruckt im Hause Vorländer): „Spaziergänge mit Little Dusty oder auf Gassi mit Dusty“. Aber wie der seriellen Unordnung Einhalt gebieten, wenn die Blätter lose fliegen? Klaus Schnutz, der für seine sprach-genauen und kritisch-witzigen „Kunst-Griffe“ und Wortspiel-Auflagenobjekte bekannt ist, schuf Abhilfe: Kästchen, seriell in Handarbeit hergestellt und mit schwarzem Papier bezogen, sollten die Blätter aufnehmen.
Als er seine Idee umgesetzt hatte, war der erste Band (oder der Anfang einer Serie?) der Edition „schmutz & eber“ fertig: handlich, optisch und haptisch ansprechend und gedanklich beflügelnd, erheiternd, verstörend (erhältlich unter anderem im Kunstverein Siegen bei Franz-Josef Weber).
Bei der Lektüre der einzelnen Blätter lässt man sich von den Erkenntnissen, Beobachtungen und Schlüssen überraschen, die Franz-Josef Weber mit seinem Faible für die ungewöhnliche Wendung, den skurrilen Gedanken, die absurde Folgerung entwickelt hat. Man befindet sich immer und unwillkürlich mitten in einer Geschichte, deren Zusammenhänge und deren Fortgang man vielleicht nicht in jedem Fall auf den ersten Blick erfasst, die aber spürbar ist. Man muss schmunzeln, herzhaft lachen, man schüttelt den Kopf ob der (auch eigenen) Plattheitsfallen, in die man immer wieder tappt. Kurz: Absurde Gedanken feiern ungebremst „fröhliche Urstände“.
Zum Beispiel: „Als die Frau seelentief in den Rückspiegel ihres Autos blickte, heulte der Motor traumatisch auf“ (14. Januar 2007). Wer dächte da nicht sowohl an „Schneewittchen“ wie auch an so manche Selbstbespiegelungsszene im Straßenverkehr?!? Oder: „Als der Regen, der gutgelaunt aus allen Wolken fiel, kurz vor der Erdoberfläche ins Grinsen verfiel, erschoss sich der Gärtner als ewiger Mörder“ (3. März 2007).Begegnungen aus dem Alltag, typische Szenen aus dem Zusammenleben, Attitüden des Kunstbetriebes, zufällige Beobachtungen: Weber nutzt geschickt das zeitliche, konsekutive Potential der „als“-Formulierung, stellt die Logik absurd auf den Kopf, um mit frischer Logik der Plattheit zu entkommen, kehrt so zu den Ursprüngen des narrativen „als“ zurück und entkommt in Gedanken: „Als ein Kunsttourist, als Kamikaze verkleidet, über die Kunstmesse grätschte, unterlag er Stunden später den gähnenden Trieben kunstdidaktischer Eintagsfliegen“ (21./30. April 2007). Die Sätze füllen die Lücken, die in normalen „als“-Sätzen unerzählt bleiben!
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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