Tatort Rödgen
Angeklagter nach Überfall auf Senior freigesprochen

- Im Bereich dieser Wertstoffcontainer wurde der heute 71-jährige Wilnsdorfer überfallen. Der Täter wurde nun freigesprochen.
- Foto: Kay-Helge Hercher
- hochgeladen von Alexandra Pfeifer
kay Rödgen/Siegen. Diesen Tag im Mai vergangenen Jahres wird ein Wilnsdorfer Senior so schnell nicht vergessen: Ein ihm Unbekannter hatte versucht, ihm die Autoschlüssel zu rauben und ihn dabei verletzt. Ein aufmerksamer Autofahrer konnte einschreiten und Schlimmeres verhindern. Am Dienstagvormittag wurde der Fall vor dem Siegener Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Matthias Witte aufgerollt - zu einer Verurteilung kam es dabei nicht, der Täter war womöglich schuldunfähig.
Der Vorwurf: schwere räuberische Erpressung mit gefährlicher...
kay Rödgen/Siegen. Diesen Tag im Mai vergangenen Jahres wird ein Wilnsdorfer Senior so schnell nicht vergessen: Ein ihm Unbekannter hatte versucht, ihm die Autoschlüssel zu rauben und ihn dabei verletzt. Ein aufmerksamer Autofahrer konnte einschreiten und Schlimmeres verhindern. Am Dienstagvormittag wurde der Fall vor dem Siegener Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Matthias Witte aufgerollt - zu einer Verurteilung kam es dabei nicht, der Täter war womöglich schuldunfähig.
Der Vorwurf: schwere räuberische Erpressung mit gefährlicher Körperverletzung
Staatsanwältin Vanessa Prade hatte dem Beschuldigten, einem 2015 nach Deutschland geflüchteten Iraner, in der Anklageschrift versuchte schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Der Täter habe den damals 70-jährigen Wilnsdorfer bei den Glascontainern auf dem Rödgen angesprochen und von ihm verlangt, nach Wilnsdorf gefahren zu werden. Nachdem dieses Ansinnen abgelehnt worden sei, habe er unter Vorhalt eines messerähnlichen Gegenstandes die Herausgabe der Autoschlüssel des Opfers gefordert. Bei dem Versuch des 70- Jährigen, sich aus dem Griff des Täters zu befreien, habe dieser eine Stichverletzung am Unterarm und Hämatome erlitten.
Ein Zeuge konnte Schlimmeres verhindern
Durch das Einschreiten eines Zeugen habe der Beschuldigte von seinem Opfer abgelassen und sei mit einem anhaltenden Linienbus geflüchtet. Die zwischenzeitlich angerückte Polizei konnte den Täter festnehmen und fand bei ihm ein Messer und zwei Scheren. Der Beschuldigte konnte sich vor Gericht nicht mehr an die Tat erinnern. Er habe erst nach einem Schreiben der Polizei gewusst, was passiert sein soll. Auf Nachfrage des Richters, ob er an dem Tag Betäubungsmittel konsumiert habe wurde dies bejaht.
Im Blut des Angeklagten wurden Betäubungsmittel und Medikamente nachgewiesen
Neben Heroin habe er das Medikament Clonazepam zu sich genommen. Die Blutprobe bei der Polizei ergab ein positives Ergebnis auf Opiate - Alkohol war nicht im Spiel. Das Opfer, der jetzt 71 Jahre alte Rentner aus Wilnsdorf, erinnerte sich im Zeugenstand: "Ich hatte Todesangst, als er vor mir mit dem spitzen Gegenstand herumgefuchtelt hatte. Er trug eine Maske und hatte eine Kapuze tief ins Gesicht gezogen." Abends und nachts habe er immer noch diese Bilder vor Augen, führte er weiter aus. Der Autofahrer, der dem Senior zu Hilfe geeilt war, bestätigte die Aussage. Der Angeklagte bat sein Opfer um Entschuldigung. Er sei eigentlich nicht so ein Mensch und wisse nicht, was er getan habe. Der Senior nahm die Entschuldigung an, "auch wenn das eigentlich nicht zu entschuldigen ist", sagte er zum Angeklagten.
Medikamente könnten Amnesie hervorgerufen haben
Dr. Thomas Schlömer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, kam in seinem Gutachten zur Persönlichkeit des Beschuldigten zu dem Ergebnis, dass dieser seit etwa vier Jahren täglich 0,5 Gramm Heroin konsumiere. Zunächst um Depressionen und Verstimmungen aufzubessern, später wurde es zur Suchterkrankung. Sein Lebenslauf sei bis zu seiner Flucht aus dem Iran unproblematisch gewesen, die Persönlichkeit unauffällig. Am Tattag habe der Angeklagte neben Heroin das Clonazepam zu sich genommen. Es sei nicht auszuschließen, dass es dadurch zu einer unvorhersehbaren Wirksamkeitsverstärkung gekommen sei. Diese Art von Medikamenten könnten auch eine zeitweise Amnesie zur Folge gehabt haben, so Dr. Schlömer. Dieser atypische Rauschverlauf und eine damit einhergehende Amnesie sei im Fall des Täters nicht auszuschließen.
Freispruch wegen Schuldunfähigkeit
Das Gutachten hatte Wirkung: Staatsanwältin und Verteidigung plädierten auf Freispruch, der Richter sprach den Angeklagten frei. Es sei zwar eine erhebliche Straftat begangen worden, aber aus rechtlichen Gründen sei er freizusprechen. Es sei nicht auszuschließen, dass er in einem Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben könnte. "Verüben sie keine weiteren Straftaten! Ich empfehle Ihnen dringend, Ihre Suchterkrankung behandeln zu lassen", appellierte Witte abschließend.


Autor:Kay-Helge Hercher (Freier Mitarbeiter) aus Siegen |
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