Appetit kriminell gehemmt
Häufig Medikamente ergaunert: Essstörung treibende Kraft
pebe Siegen. Sie glaubte, sie sei zu dick. Nichts und niemand konnte sie vom Gegenteil überzeugen. Sie nahm Medikamente, um ihre Hungergefühle zu unterdrücken und brauchte Tag für Tag eine ganze Menge. Doch so viel hätte ihr kein Arzt verschrieben. Da griff die 44-Jährige zur denkbar schlechtesten »Selbsthilfe«. Sechs Mal stahl sie im vergangenen Jahr Blanko-Rezeptformulare aus verschiedenen Arztpraxen. Die füllte sie aus und legte sie in immer anderen Apotheken vor, um den »Appetithemmer«, ein Amphetamin, zu bekommen.
Damit aber nicht genug. Insgesamt 28-mal, so listete Staatsanwältin Annelisa Hammerstein vor dem erweiterten Siegener Schöffengericht auf, wanderte sie im Siegerland, im Kreis Olpe und im Kreis Altenkirchen zu verschiedenen Ärzten. Dort verlangte sie unter falschem Namen und falscher Adresse auf Privatrezept amphetaminhaltige Medikamente. Die Rechnungen blieben unbezahlt. In sechs Fällen, listete die Staatsanwältin weiter auf, veränderte sie Mengenangaben auf ausgestellten Rezepten, um größere Mengen des Amphetamins zu bekommen.
»Ja, ich war das alles«, kommentierte die Angeklagte. Aber sie habe das Amphetamin eben nicht als Aufputschmittel geschluckt, sondern »nur«, um nicht essen zu müssen, denn das Amphetamin hemme den Appetit. Erstaunlicher als ihr Geständnis war allerdings ihr Bericht über die Besuche in den Arztpraxen. »Ich brauchte manchmal gar nicht erst zum Arzt ins Sprechzimmer.« Vielmehr habe sie das von ihr verlangte Rezept schon an der Rezeption bekommen. Lediglich einige Male habe sie beim Arzt selbst vorsprechen müssen. Was postwendend, aber wirkungslos die Praxen verließ, waren entsprechende Rechnungen. Die sind aber mittlerweile allesamt bezahlt.
Seit vier Monaten ist die 44-Jährige in Therapie. Und dort, so schreiben ihr die Therapeuten ins Zeugnis, arbeite sie mit und mache gute Fortschritte, so dass ein »regulärer Therapieverlauf« zu erwarten sei, wie Amtsgerichtsdirektorin Rosmarie Klier vorlas. Eine Fortdauer der Unterbringung sei zu empfehlen.
Da die nun angeklagten Taten während der Ermittlungen zu einem früheren Verfahren begangen wurden, war das zu erwartende Urteil gesamtstrafenfähig. Der Sachverständige »plädierte« dafür, der Angeklagten weiter eine therapeutische Chance zu geben. Gericht, Staatsanwältin und Verteidigerin zogen sich zur Beratung zurück. Und an deren Ende stand die Einstellung des Verfahrens.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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