Stadtbad am Löhrtor – Kenner warnt vor voreiligem Abriss
Das Bauhaus und sein kleiner Bruder

- Von der „Schauseite“ aus betrachtet zeigt das Siegener Stadtbad – hier in seiner ursprünglichen Fassadengestaltung – deutliche Parallelen zu seinem prominenten Vorbild, dem Bauhaus in Dessau.
- Foto: Schöning Verlag (Lübeck)
- hochgeladen von Alexander W. Weiß (Redakteur)
js Siegen/Dessau. Die Universität kommt in die Stadt, die Vorbereitungen für das Projekt „Wissen verbindet“ laufen auf Hochtouren, erste Pflöcke sind eingeschlagen. Einer davon betrifft das Löhrtorbad. Die Stadt hat sich entschlossen, den Stöpsel zu ziehen. Sobald das Weidenauer Hallenbad umgebaut und auf weitere Kapazitäten gebracht ist, sollen die letzten Bahnen in der Innenstadt geschwommen sein. Die Nachnutzung des Geländes ist ausgemacht: Hier wird die Uni ihre Zelte für ihren Campus Süd aufschlagen. Dem Löhrtorbad droht damit der Abriss – und genau das wäre aus Sicht von Thomas Busch, Diplom-Ingenieur für Architektur, ein Fehler. „Das sollte noch einmal sorgfältig geprüft werden.
js Siegen/Dessau. Die Universität kommt in die Stadt, die Vorbereitungen für das Projekt „Wissen verbindet“ laufen auf Hochtouren, erste Pflöcke sind eingeschlagen. Einer davon betrifft das Löhrtorbad. Die Stadt hat sich entschlossen, den Stöpsel zu ziehen. Sobald das Weidenauer Hallenbad umgebaut und auf weitere Kapazitäten gebracht ist, sollen die letzten Bahnen in der Innenstadt geschwommen sein. Die Nachnutzung des Geländes ist ausgemacht: Hier wird die Uni ihre Zelte für ihren Campus Süd aufschlagen. Dem Löhrtorbad droht damit der Abriss – und genau das wäre aus Sicht von Thomas Busch, Diplom-Ingenieur für Architektur, ein Fehler. „Das sollte noch einmal sorgfältig geprüft werden.“
Klare Parallele zum Dessauer Bauhaus
Der Käner hat sich intensiv mit dem Stadtbad befasst, fand das Bauwerk schon immer herausragend und sieht eine ganz klare Parallele zu einem prominenten Vorbild: dem Werkstattflügel des berühmten Bauhauses in Dessau, errichtet 1925/26 nach den Plänen von Walter Gropius, heute Unesco-Weltkulturerbe. Genau an diesem Gebäude orientiere sich das Löhrtorbad, sowohl architektonisch als auch städtebaulich. „Durch das zurückgesetzte Kellergeschoss scheinen die Gebäude zu schweben“, zeigt Thomas Busch auf. „Die ,transparente’ Ecke, die Glas-Vorhangfassade und die Betonung des Eingangsbereichs durch das auskragende Vordach entsprechen dem Dessauer Vorbild ebenso wie der mit Bedacht auf Fernwirkung gestaltete Freiraum.“
Ein Bau mit herausragenden Qualitäten
Thomas Busch hat selbst in Dessau studiert und am Bauhaus gearbeitet, kennt das Original daher bestens. Für Konrad Dannenberg gilt Ähnliches. Der Oberbaurat, der für den Entwurf des 1967 eröffneten Bads verantwortlich zeichnete, stammte aus Zerbst, einen Steinwurf von Dessau entfernt. In einer Zeit, in der das Original noch stark beschädigt der Sanierung harrte, entstand in Siegen ein Zitat aus seiner Heimat, glaubt Thomas Busch. „Dieses Hallenbad ist wahrscheinlich das wertvollste Zeugnis der modernen Nachkriegsarchitektur in Siegen.“ Es sei ein „bis heute beeindruckender Bau mit herausragenden architektonischen, ingenieurtechnischen und städtebaulichen Qualitäten“. Das Löhrtorbad könne als Weiterentwicklung des Bauhaus-Werkstattflügels betrachtet werden, „da durch die Kombination der Außenstützen mit den gewählten Spannbetonbindern der gesamte Beckenbereich stützenfrei überdacht werden konnte“. Auch die Gestaltung im Innenraum, das Farbkonzept, die Formensprache etwa von Duschen und Sprungblöcken, seien bis heute überzeugend. Man sehe dem Bad nicht an, dass es bisher rund 10 Millionen Nutzer gehabt habe. Wichtig sei zudem, das Gebäude unter städtebaulichen Aspekten zu betrachten: Wie das Dessauer Vorbild sei hier auch die Fernwirkung mit freier Sicht von der Bundesstraße auf die „Schauseite“ und Akzenten in der Außenplanung genau ausgetüftelt worden. Besonders deutlich seien die Parallelen auf älteren Bildern zu erkennen: Bis zu seiner Renovierung 1991 hatte das Löhrtorbad noch nicht die heutigen Fassaden mit blauen Elementen – damals war es wie das Vorbild weiß umrahmt.
Es ist das
wertvollste Zeugnis
der modernen
Nachkriegsarchitektur
in Siegen.
Thomas Busch
Bauhaus-Kenner
Busch: Abriss käme Trauerspiel gleich
Thomas Busch spricht sich klar für den Erhalt des Bads aus, ein Abriss käme für ihn einem Trauerspiel gleich. Das Gebäude bestehen zu lassen, würde seiner Ansicht nach dem Bau des Campus Süd – in dem unter anderem auch die Architekturstudenten ihr neues Domizil finden – auch gar nicht entgegenstehen. Eher solle darüber nachgedacht werden, ob nicht das Areal des Altstadt-Parkhauses in Form eines „Flächentauschs“ für die Uni infrage komme. „Warum sollte die Hochschule nicht von dieser Lösung, nämlich der eines angeschlossenen Hallenbads mit Bauhauszitat profitieren?“, fragt Busch. Parkhäuser, so schiebt er nach, würden bereits in wenigen Jahren zu Anachronismen avancieren. „Die Vorstellung, dass Distanzen auch weiterhin individuell im eigenen tonnenschweren Fahrzeug überbrückt werden, ist absurd.“
Der Bauhaus-Fan steht dem Projekt „Siegen. Wissen verbindet“ durchaus positiv gegenüber – sieht es „ohne jeden Zweifel als Jahrhundertchance“ für die Stadt. Mit den Abrissen des Krupp-Hochhauses in Geisweid und des Nürnberger Hauses am Bahnhof sei wiederholt „qualitätsvolle Nachkriegsarchitektur der Moderne unwiederbringlich verloren gegangen“. Auch dem Stadtbad drohe ein Schicksal, das im Nachhinein zu Reue führen könne. „Diese Diskussion muss geführt werden.“
Uni: Lösungen im Bestand bevorzugt
Beim Campus-Süd wird es die Herausforderung sein, das Raumprogramm für die Fakultät II auf den Flächen umzusetzen, zu denen auch das Stadtbad gehört. „Wie diese Umsetzung genau aussieht, ist offen“, heißt es von der Hochschule. Das bedeutet: „Die Uni Siegen wird für das Löhrtor-Gebäude prüfen, ob es möglich ist, es zu erhalten, umzubauen und als neuen Uni-Standort zu nutzen.“ Bislang habe die Uni immer geprüft, ob sie Lösungen für Gebäude im Bestand finden kann. „So ist das neue Hörsaalzentrum am Campus Unteres Schloss im Obergeschoss des Karstadt-Gebäudes entstanden, so wird gerade das ehemalige Möbelhaus Wonnemann als künftiger Standort unseres Student-Service-Centers umgebaut. Wir werden also auch für das Löhrtor-Gebäude prüfen, ob eine solche Lösung realistisch ist.“

Autor:Jan Schäfer (Redakteur) aus Siegen |
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