Echte Führungskräfte fehlen
Emeritus Prof. Dr.-Ing. Werner Düchting sieht die Zeit des »Managens« ablaufen
kk Siegen. Die Zeiten werden schnelllebiger. Veränderung jagt Veränderung. Das gilt sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gesellschaft. Viele Unternehmen sind in eine Schieflage geraten, viele existieren bereits nicht mehr. Die Pleitewelle macht vor kaum einer Branche Halt. Zum Teil sind die Gründe von den Firmen nicht beeinflussbar. Zum Teil indes doch. Das zumindest meint Prof. Dr.-Ing. Werner Düchting. Der Emeritus leitete über Jahre das Institut für Regelungs- und Steuerungstechnik an der Universität Siegen. Seine Kontakte zur Wirtschaft und Wissenschaft sind immer noch eng. Wen wundert es da, dass er sich über die aktuelle Krise seine Gedanken gemacht hat?
Sein Fazit: Kompetente Führungspersönlichkeiten seien Mangelware. »Führen statt managen« lautet sein herausforderndes Plädoyer. Für seine Erkenntnisse nimmt er Rückgriff auf Erfahrungen aus dem ihm angestammten Metier. »Denken in vernetzten Regelkreisen« rät er all denjenigen an, die in Unternehmen das Sagen haben.
Um die Planungssicherheit ist es nicht mehr gut bestellt. Doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, sollte die Krise als Herausforderung begriffen werden, so der passionierte Wissenschaftler. Drei Reaktionsweisen hat er bei Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten ausgemacht. Die einen schränkten ihren Wirkungskreis wieder aufs Kerngeschäft ein. Die anderen gingen in die entgegengesetzte Richtung – weg vom eigentlichen Kerngeschäft und hin zu Diversifikationen. Die dritte, große Gruppe indes tue wenig (außer Personal entlassen) und warte auf bessere Zeiten. Aussitzen sei die Devise, Lähmung die Folge. Zu Zeiten großer Unsicherheit dürfe man die Hände jedoch nicht in den Schoß legen.
»Klug und weise konzentrieren, klug und weise diversifizieren«, lautet der Rat Düchtings. Gefragt seien exzellente Führungskräfte – mit systematischem Denkansatz. Keine hoch bezahlten Nur-Manager, die von Job zu Job wechselten und Unternehmen, Organisationen oder Universitäten allenfalls durcheinanderwirbelten und in eine Veränderungsmüdigkeit trieben. Düchting: »In einer Welt dynamischer Komplexität müssen Manager und Strategen Systemdenker werden.« Nicht das Durcheinanderwirbeln, sondern das Um- und Neuformen sei gefragt.
Gerade das systematische Denken helfe die Strukturen auszumachen, die wirklich formten, helfe Trends zu erkennen, Konsequenzen von Entscheidungen vorauszusehen und somit das Risiko zu minimieren. Düchting: »Viele Unternehmen gehen Pleite, weil sie zu viele Risiken gleichzeitig eingehen.« Und weiter: »Das Systemdenken hilft zudem Anstrengungen dort zu konzentrieren, wo sie am meisten bewirken.
Der Emeritus über die Hauptaufgaben systematisch denkender Führungskräfte: »Veränderungen bewirken, Zukunftsvisionen entwerfen und vorausschauend handeln.« Kurzum: »Nicht managen, sondern führen.« Will heißen: »Führungskräfte setzen nicht auf Zahlen und Daten, sondern auf Konzepte. Sie setzen nicht auf Pläne und Strategien, sondern auf Visionen.« Sie brauchten ein tiefes Verständnis für die Kompetenzen und Potenziale ihrer Unternehmen. Sie entwickelten konkrete Szenarien, wie ein Ziel erreicht werden solle und beschränkten sich nicht auf dubiose Vorhersagen.
Weitere Eigenschaften verlangt er von ihnen: Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit. Nur so könnten die Scherben gekittet werden, die durch Misswirtschaft und Korruption angerichtet worden seien. Und: »Sie müssen Sensoren für schwache Signale besitzen.« Sprich: Das Gefühl haben für das, was angesagt ist und was nicht.
Der Ansprüche sind viele. Woher also kommen die kompetenten und integeren Führungskräfte? Düchting: »Nur über eine Eliteauswahl.« Gute Leute müssten frühzeitig erkannt und gefördert werden. Eine frühe, große Herausforderung sei hilfreich ebenso wie der Wille zum permanenten Lernen. Düchting: »Wenn die Lernfähigkeit von Beginn an gegeben ist, sind frühzeitige Kurskorrekturen möglich.« Und abschließend: »Das macht den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg aus.«
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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