Eine Reise zu den Worten
Dr. Marlies Obier stellt in der Unibibliothek aus
gmz Weidenau. Dr. Marlies Obier ist eine Schrift-Stellerin im konkreten Sinn des Wortes, stellte Klaus Küster von der Galerie der Stadt Remscheid gestern Nachmittag in seiner prägnanten Einführung in Marlies Obiers Ausstellung »Reise zu den Worten« in der Weidenauer Universitätsbibliothek (UB) fest. Sie stellt Texte frei, löst sie also aus ihrem Kontext und verleiht ihnen damit ein Eigenleben, das den Kontext andeutet und weitere Kontexte ermöglicht. Sie stellt Texte in einen Raum, den sie literarischen Ort nennt, und in dem die Texte miteinander in Dialog treten.
Das tun sie, weil Marlies Obier Satzfragmente oder Sätze aus Texten verschiedener Autoren verschiedener Zeiten ausschneidet und auf schwarzem Karton, der so etwas wie das Schweigen darstellen kann, montiert: Die Texte, gedruckt in verschiedenen Typen, sehen sich an, reden miteinander. Und der Betrachter, der sie liest, kann mit ihnen reden, denn die unregelmäßige Verteilung der Zitate auf den Flächen suggeriert Dynamik, Austausch, an dem man sich beteiligen kann.
In der Weidenauer Ausstellung (die Ausstellung – mit Katalog – ist bis 30. März zu sehen, danach ist sie im Westfälischen Literaturmuseum Haus Nottbeck in Oelde, 6.April bis 4. Mai) begibt sich Marlies Obier auf eine Reise zu den Worten - eine Bibliothek ist dafür, wie Bibliotheksdirektor Werner Reinhardt in seiner Begrüßung bemerkte, ein sehr treffender Ort. Die Reise wird inspiriert von den Berichten der Polarforscher Rasmussen, Amundsen und Nansen, die von den Eskimo begleitet, den Pol und die Nordwest-Passage erschlossen: Für die Innuit, für die das »Leben eine Reise ist« (so auch der Titel eines Objektes), sind Wörter, ist Sprache das Mittel, ihre Erlebnisse, ihre Erinnerungen, ihre Überzeugungen festzuhalten. In »heiligen Gesängen« halten die nur bedingt schriftlichen Kulturen ihre Identität fest und tradieren sie weiter.
Solche Texte gehen tiefer als die »Flut sprachlicher Belanglosigkeiten« (Küster), in der wir tagtäglich zu versinken drohen. Und genau diese Wertschätzung des Wortes, die in dem ursprünglichen Umgang mit Sprache, die ja – so ein »anderer« Forscher, Herder (auch er wird in einem Objekt vorgestellt) – unser Denken, damit unser Sein bestimmt, diese Wertschätzung will Marlies Obier, die auch mit eigenen Texten in den Dialog eintritt, mit ihren Text-Begegnungen vermitteln. Sie will zum Dialog einladen, der geeignet ist, »mich mit ganzer Seele in den Traum meines Lebens zu stürzen«.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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