Für Orgel oder Cembalo?
Norddeutsche Musik für beide am Ende der Orgelwochen
ars Siegen. Mit einem Konzert, in dem norddeutsche Orgel- und Cembalomusik erklang, gingen in der Nikolaikirche die 8.Siegener Orgelwochen zu Ende. Martin Böcker, Kirchenmusiker aus Stade, wo ihm eine berühmte Arp-Schnitger-Orgel zur Verfügung steht, brach vor der nicht ganz voll besetzten Kirche eine Lanze für die norddeutsche, vorbachische Tradition, deren Hauptvertreter Dietrich Buxtehude, Georg Böhm und Vincent Lübeck als Orgel- und als Cembalomeister zu hören waren.
Wie Böcker vor dem Konzert ausführte, handelt es sich bei seinem Programm um norddeutsche Musik um 1700 für Tasteninstrumente, die vielfach ebenso auf der Orgel wie auf dem Cembalo gespielt wurden. Stilistisch gibt sich die norddeutsche Schule recht einheitlich. Für ihre Präludien und Fugen nahm sie die reichhaltigen Anregungen der italienischen Musik auf, die vierteiligen Suiten orientierten sich am französischen Stil, der mit vielen Verzierungen und Improvisationen die Lautenmusik auf die Tasteninstrumente übertrug.
Bei den vier Werken für Cembalo war der Unterschied sehr deutlich zu hören, was das Programm noch hervorhob durch das Wechseln von Präludium und Suite. Das auf einem von der Familie Brückmann bereitgestellten Cembalo gespielte Praeludium in g von Buxtehude erwies sich allerdings als deutlich von der Orgel und ihren Klangmöglichkeiten her gedacht: zwar spielbar auf dem Cembalo, aber eigentlich ein genuines Orgelwerk.
Die beiden Suiten hingegen, eine von Böhm und eine von Buxtehude, zeigten in ihrer klassischen Vierteiligkeit alle Möglichkeiten des kultivierten Cembalo-Klangbildes, das Böcker stilsicher und ohne historischen Brückenschlag entfaltete. In den hohen Lagen überzeugte das Instrument nicht ganz, vermutlich auf den Transport und die Temperaturangleichung zurückzuführen. Die Idee, Cembalo und Orgel ineinander zu spiegeln und zu kontrastieren, überzeugte auch nicht ganz, da fünf Orgelstücke und vier Cembalostücke en bloc erklangen, erklingen mussten, da das Cembalo am Altar und die Orgel auf der Empore standen, mithin ein ständiges Hin-und-Herwandern des Interpreten ausgeschlossen war.
So blieben denn die erstaunlichen Orgelwerke, allen voran das selten gehörte, mit Überraschungen wie einem Pedalsolobeginn und einem »falschen« Schluss vor dem Schluss aufwartende Praeludium (und Fuge) in C von Georg Böhm, doch ein wenig separiert von denen für Cembalo, die wohl auch von der Programmdramatik her an den Anfang und nicht an den Schluss gehört hätten.
Die Werke für sich, so die kurzen wie gehaltvollen beiden Choralbearbeitungen von Buxtehude, gefielen ebenso wie die ihnen angemessene Interpretation, die achtgab, die Norddeutschen nicht einfach von Bach her zu lesen und dadurch unweigerlich zu verkleinern. Nach dem verdienten Beifall war als Zugabe die Choralbearbeitung »Vater unser im Himmelreich« von Böhm zu hören, die in ihrer sparsamen, herben, eindringlichen Art noch einmal kurz und knapp das Wesen der norddeutschen Orgelschule zusammenzufassen schien.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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