Hin und Her macht das Hoffen schwer
Unternehmer aus der Region zogen Bilanz / Politische Unwägbarkeiten belasten
sz Siegen. Wirtschaften vollziehe sich immer in Wellenbewegungen. Und darum wolle man auch angesichts einer sehr schlechten Datenlage nicht vor der Klagemauer stehen bleiben, sondern auf bessere Zeiten hoffen und nach vorne schauen, meinte Adolf Kretzer, Vorsitzender der Unternehmerschaft Siegen-Wittgenstein und des Verbandes der Siegerländer Metallindustriellen e.V. (VdSM) gestern anlässlich eines Jahrespressegesprächs im Haus der Siegerländer Wirtschaft. Doch das Hin und Her, das die Politik zur Zeit veranstalte, mache das Hoffen auf bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Zeiten eben schwer.
»Ein Kanzler der Gewerkschaften«
Die Politik sei in eine tiefe Vetrauenskrise geraten, weil sie nicht mehr führe und gestalte, sondern nur noch ans Abkassieren und an zusätzliche Belastungen für Bürger und den Mittelstand denke. Gerhard Schröder sei von einem Kanzler der Mitte zu einem Kanzler der Gewerkschaften mutiert, brachte Kretzer seine politische Lageeinschätzung auf den Punkt und untermauerte sie mit Ergebnissen einer Umfrage unter den Mitgliedern beider Verbände.
Schlechte Noten für das Hartz-Konzept
So werteten 97 % von 140 befragten Unternehmen die aktuelle wirtschafts- und sozialpolitische Weichenstellung von Rot-Grün als »schlecht« oder »eher schädlich«. Auch das Hartz-Konzept, das den Arbeitsmarkt beleben soll, kommt im Urteil der heimischen Betriebe nicht gut weg. Hier sprechen 98 % der Befragten von »schlecht« und »eher schädlich«. Auf die Spitzenplätze im Pflichtenheft der Politik setzten die Befragten die Reform der sozialen Sicherungssysteme, eine Deregulierung des Arbeitsmarktes und Änderungen in der Steuerpolitik.
Bei zwei Dritteln schlechte Geschäftslage
Beim Blick in die eigenen Werkshallen und Büros hellten sich die Umfragewerte auch nicht auf. So gaben fast zwei Drittel (58 %) der an der Umfrage beteiligten Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie an (sie stehen für rund 15000 Arbeitsplätze in der Region), ihre derzeitige Geschäftslage sei schlecht. 34,8 % (Vorjahr: 50 %) kamen zum Urteil »befriedigend« und nur 7,2 % (8,1 %) sehen sich gut positioniert.
Inlandskonjunktur bricht weg
Als Hauptgründe für die schlechte Lage wurde vor allem angeführt, dass die Inlandskonjunktur wegbreche. Die Menschen legten ihr Geld angesichts der herrschenden Unsicherheiten eben lieber auf die hohe Kante, als es in den Konsum zu stecken. Das hat Auswirkungen auf die Produktionsauslastung. Hier notierten nur noch 23,5 % der Betriebe, gut ausgelastet zu sein. Unter dem Bilanzstrich schlägt sich das bei 55,1 % in einer verschlechterten Ertragslage nieder, deren Niveau 69,6 % zudem als yschlecht bezeichnen.
Entlassungen rücken näher
Als Konsequenz aus diesen Bewertungen rechnen jetzt 29 % der Firmen für das kommende Jahr mit einem Personalabbau. Im Vorjahr trugen sich »nur« 18,2 % mit dem Gedanken an Entlassungen. Gut die Hälfte will den Personalstamm aber halten, und 15,7 % versuchen über Kurzarbeit Überkapazitäten abzupuffern.
Das sei typisch für die Region, analysierte Adolf Kretzer. Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland sei zwar eine Möglichkeit Kosten zu senken. Bisweilen finde sie auch schleichend statt. Doch die Einstellung heimischer Unternehmer sei eine andere. »Viele können das nicht! Und diejenigen, die das können, wollen im Grunde genommen nicht, weil hier unsere Wurzeln liegen und hier unsere Mitarbeiter leben.«
Nach zusätzlichen konjunkturellen Stolpersteinen für das kommende Jahr befragt, erklärte Kretzer, ein neuer Irak-Krieg, wie kurz auch immer, könnte der Wirtschaft das noch relativ starke Export-Standbein brechen. Und auch SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sei in der Lage, mit einem neuerlichen Aufruf zum Konsumverzicht ganz ähnliche Wirkungen zu erzielen.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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