Katzenjammer unterm Krönchen
Etatentwurf 2003: wegbrechende Einnahmen und wachsende Pflichtaufgaben
ph Siegen. Die kommunale Familie steckt in der Klemme: landauf, landab schreiben die öffentlichen Haushalte rote Zahlen. Wegbrechende Einnahmen bei ständig wachsenden gesetzlichen Pflichtaufgaben durch Bund und Land lassen auch in Siegen den eigenen Handlungsspielraum auf nahezu Null zusammenschrumpfen. Die Krise ist nicht hausgemacht, aber sie ist da, konstatierte gestern Ulf Stötzel bei der Vorstellung des Etatentwurfs 2003. Und Kämmerer Reinhold Baumeister senkte den Kopf: »Wir sind nicht in der Lage, mit eigener Einnahmekraft den Haushalt auszugleichen.« Die derzeitige Finanzausstattung gefährde die kommunale Selbstverwaltung sowie die der Stadt übertragenen Verpflichtungen zur Daseinsfür- und vorsorge gegenüber ihren Bürgern. Und vor dem Jahr 2013 wird man unter dem Krönchen kaum in der Lage sein, das unbequeme Zwangskorsett namens Haushaltssicherungskonzept abzustreifen – wenn alles »günstig« läuft.
Das Zahlenpaket für das kommende Jahr schleift »hart an der Genehmigungsgrenze«. Doch glaubt der Kämmerer, dass auch der Kreis Siegen-Wittgenstein als Aufsichtsbehörde nicht die Tatsache ignorieren könne, dass es externe Einflüsse seien, die »uns unters Eis drücken«. Gleichwohl will man versuchen, »mit dem Wenigen, was uns zur Verfügung steht«, das bisherige Leistungsniveau in etwa zu halten. So wird die Stadt zwar gegenüber dem Vorjahr ca. 20 Prozent weniger investieren, aber sie wird investieren. Zum Beispiel in die Erweiterung der Hauptschulen Eiserfeld und Achenbach sowie der Realschule Am Hengsberg, in den Umbau des Hoesch-Gebäudes am Bertramsplatz zum Jugendtreff, in die Modernisierung des Leimbachstadions und die Sanierung der Sportplätze Charlottental, Glück-Auf-Kampfbahn und Helsbachtal. Oder in die Sanierung des Siegerlandmuseums. Im Straßenbau liegt der Schwerpunkt der Investitionen auf der Giersbergstraße, dem Brüderweg und der Alten Freudenberger Straße.
Einige Einrichtungen fehlen in der Auflistung, wie etwa die Hauptamtliche Wache, die modernisierungsbedürftige Siegerlandhalle oder die der Sanierung harrenden Warmwasser-Freibäder Geisweid und Kaan-Marienborn. Ulf Stötzel verhehlte nicht, bei diesen Punkten – wie auch bei einigen anderen, weniger kostenträchtigen Projekten – die Enden noch nicht beieinander zu haben: »Wir wollen im ersten Quartal 2003 Entscheidungen herbeiführen, wobei Ideenreichtum und Improvisationstalent mehr denn je gefragt sein werden.« Einig sind sich Bürgermeister und Kämmerer, die Gewerbesteuer nicht anzutasten – sie betrug übrigens im »Superjahr« 1992 52 Mill. e, im laufenden nur noch 27,5 Mill. e. Anders verhält sich die Verwaltungsspitze bei der Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke). Dort schlägt sie eine Anhebung des Hebesatzes um 20 auf 410 Prozentpunkte vor. Erhofftes Mehraufkommen: 650000 e. Für den Besitzer eines Einfamilienhaus bedeutet dies im Durchschnitt eine monatliche Mehrbelastung von 92 Cent. Ein Zweifamilienhaus schlägt mit durchschnittlich 1,17 e monatlich zu Buche.
Nicht ohne Grund setzt der Bürgermeister mehr denn je auf bürgerschaftliche Eigenverantwortung (»Sie war die Tugend der Vergangenheit und ist die Tugend der Zukunft«). Soll doch der Rat per Grundsatzbeschluss finanzielle Abstriche auf praktischen allen Ebenen der städtischen Infrastruktur vornehmen. Dies betrifft die Bereiche Jugend, Soziales, Gesundheit, Schule, Sport und Kultur ebenso wie Aufwandsentschädigungen für Rats- und Ausschussmitglieder und Fraktionszuschüsse. Die beabsichtigten Kürzungen bei den so genannten freiwilligen Leistungen siedelte Reinhold Baumeister im Schnitt zwischen 10 und 20 Prozent an. Aber es gibt auch den einen oder anderen Komplett-Rückzug. So soll die städtische Beteiligung an »Kulturpur« (5200 e) und »SILA« (3000 e) ebenso entfallen wie die Förderung des Leistungssports (4100 e) und der Nachtbus-Zuschuss (10.250 e). Verzichten will man auch auf Jubiläumsgaben bei goldenen Hochzeiten.
Von einer Politik des Kahlschlags, so der 1. Beigeordnete, könne indes keine Rede sein. Neben dem erhofften Einspareffekt – alles in allem immerhin fast 280000 e – möchte die Verwaltung das Streichkonzert nicht zuletzt als Zeichen der ungebrochenen städtischen Bereitschaft verstanden wissen, die Konsolidierungs-Bemühungen fortzusetzen. Gleichzeitig verbirgt sich dahinter auch ein mahnender Appell »nach oben«, dass es so auf Dauer nicht weiter gehen kann.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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