»Klappe statt Straße«
Kreis-Gesundheitsausschuss befasste sich mit Babyklappe
matz Siegen. In den frühen Morgenstunden des 14. September 2002 war unter der HTS in Geisweid ein Neugeborenes gefunden worden. Glücklicherweise war es wohlauf. In der Folge wurden Rufe nach einer Babyklappe und der Möglichkeit einer anonymen Geburt laut. Zwei Wochen später befasste sich auch der Kreistag mit dem Thema. Doch der SPD-Antrag wurde an den Gesundheitsausschuss verwiesen. Der tagte gestern. Und hatte vor allem mit der rechtlichen Situation zu kämpfen.
Fachlich beleuchtete Ingrid Schöne (Landsjugendamt Rheinland) das Thema. Bekannt geworden sei das »Problem« 1999. »Damals hatten wir noch keine Klappe, sondern eine Telefonnummer, über die Frauen zur anonymen Geburt begleitet werden konnten und das Kind weitervermittelt werden konnte.« Die Zahl der abgelegten Kinder sei gering. In Hamburg seien es beispielsweise in zwei Jahren elf gewesen. Andererseits sei natürlich jedes tot gefundene Baby eines zu viel. »Mütter, die ihr Kind dort ablegen, wo es auch gefunden wird, wollen, dass es gefunden wird«, berichtete Schöne. »Aber alle, die sogar ihre Schwangerschaft geheim halten, wollen es nicht.«
Die Nachteile einer Babyklappe seien nicht zu unterschätzen. Schöne: »Da werden meistens Müll oder Tiere reingelegt.« Zudem müsse »sichergestellt sein, dass rund um die Uhr jemand da ist«. Im Rheinland werde am Tag nach dem Ablegen in der Presse ein Foto des Kindes veröffentlicht. »Dann weiß die Mutter, dass es ihm gut geht.« Das größere Vertrauensverhältnis hätten Betroffene dennoch nach wie vor zu Ärzten, vor allem wegen deren Schweigepflicht. Generell sei der Vorteil eines Gesprächs, dass man persönliche belehren könne. »Manche Mütter überlegen es sich dann noch einmal.« Auch die Kostenfrage beleuchtete die Expertin. Zwischen 15000 und 80000 e seien bei Krankenhäusern im Rheinland für Klappen investiert worden. Die Kosten bei anonymen Geburten bezeichnete Schöne hingegen als »noch völlig offen«. Die Kostenfrage sei das letzte, was zu beachten sei, äußerte sich im Nachgang Dieter Korn, Geschäftsführer des Marienkrankenhauses. »Viel entscheidender ist die gesetzliche Situation. Erst muss die geklärt sein. Sie bekommen sonst keinen Mitarbeiter, der sich darum kümmert.« »Babyklappen sind keine rechtliche Grauzone, sie sind legal«, entgegnete Kreis-Sozialdezernentin Helge Klinkert. Wie auch immer: »Wir müssen einen Standort wählen, der leicht erreichbar und anonym ist«, so Klinkert. »Beim Jung-Stilling und bei der Kinderklinik ist das schwierig.«
Cornelia Neef (SPD) ging es »darum, Kinderleben zu retten«. Da sei die Babyklappe genau richtig. Ihre Kollegin Jutta Capito (CDU) hingegen fand das Thema »noch nicht entscheidungsreif«. »Unser Vorschlag: noch weiter vertagen, auch weil die rechtliche Seite noch nicht geklärt ist.« Mit einer Babyklappe könne man alle Arten einer gefährlichen Geburt verhindern, drängte Angelika Flohren (SPD) auf eine rasche Entscheidung: »Klappe statt Straße.«
Das Ende vom Lied: Ausschusvorsitzender Prof. Dr. Dieter Lutz (FDP) ließ zwei Anträge abstimmen. Die Verwaltung soll prüfen, ob man kurzfristig – bis eine Entscheidung über die Babyklappe gefällt ist – ein Nottelefon einrichten kann. Der zweite Antrag: Entscheidung Babyklappe vertagen, bis die gesetzlichen Regelungen vorliegen. Ergebnis: Antrag Nummer eins wurde einstimmig, Antrag Nummer zwei mit Mehrheit verabschiedet.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.