Biologiestudenten helfen Amphibien über die gefährliche Straße
Kröten auf Wanderschaft im Leimbachtal

- Hier droht Gefahr: Die Kröten folgen ihrem Instinkt, um zu den Laichgewässern zu kommen. An vielen Straßen im Siegerland überleben sie diese Wanderschaft nicht.
- Foto: Thomas Bertelmann
- hochgeladen von Katja Fünfsinn (Redakteurin)
ihm Siegen. „Vorsicht! Keinen Schritt weiter!“ Henning Haas schaut streng im Licht der Taschenlampe, die von unten ein wenig unheimlich sein Gesicht anleuchtet. Die Reporterin und der Fotograf erstarren. „Hier ist Krötengebiet, sie sind hier überall“, sagt Haas. Ungeübte Augen sehen erst mal nichts. Aber da raschelt es in der Böschung, und gleich auf dem Weg sitzt eine Kröte im Schein des Lampenkegels. Daneben noch eine, und da kommt die nächste. Ohne Licht ist man hier verloren, denn die Erdkröten sind durch ihre laubbraune Haut perfekt getarnt.
Wanderschaft wie auf KommandoUm 21 Uhr ist die Dunkelheit im Leimbachtal gerade hereingebrochen. Wie auf Kommando machen sich Hunderte von Erdkröten auf den Weg.
ihm Siegen. „Vorsicht! Keinen Schritt weiter!“ Henning Haas schaut streng im Licht der Taschenlampe, die von unten ein wenig unheimlich sein Gesicht anleuchtet. Die Reporterin und der Fotograf erstarren. „Hier ist Krötengebiet, sie sind hier überall“, sagt Haas. Ungeübte Augen sehen erst mal nichts. Aber da raschelt es in der Böschung, und gleich auf dem Weg sitzt eine Kröte im Schein des Lampenkegels. Daneben noch eine, und da kommt die nächste. Ohne Licht ist man hier verloren, denn die Erdkröten sind durch ihre laubbraune Haut perfekt getarnt.
Wanderschaft wie auf Kommando
Um 21 Uhr ist die Dunkelheit im Leimbachtal gerade hereingebrochen. Wie auf Kommando machen sich Hunderte von Erdkröten auf den Weg. Aus den Wäldern rechts und links der Gewerbegebiete kommen sie hinunter zu ihren Laichgewässern. Henning Haas: „Kröten sind unheimlich gewässertreu, die kommen immer wieder zu den Teichen, wo sie geboren wurden.“ Wie finden sie den Weg? Wie orientieren sie sich? Das ist noch eines der vielen Rätsel der Biologie. An diesem Abend ist auch Biologie-Professorin Dr. Klaudia Witte vor Ort. Rund 25 ihrer Studenten, ausgerüstet mit Warnwesten und Eimern, warten auf Instruktionen von Henning Haas. Die Helfer sollen den Kröten – zoologisch „Bufo bufo“ – auf dem Weg über die gefährliche Leimbachstraße helfen. Krötenzäune schotten die Straße ab, die den Krötenkurs kreuzt. Die Helfer sammeln die Tiere am Zaun ein und tragen sie in ihren Eimern zum Laichgewässer. Charlotte Lampe und Hannah Weidenbruch sind heute zum ersten Mal dabei. Sie studieren Biologie auf Lehramt und sind begeistert, endlich mal an einer Exkursion teilnehmen zu können. Pandemie-bedingt ist vergangenes Jahr fast alles ausgefallen. Am Ende der Nachtschicht gibt es von Klaudia Witte den „Krötenschein“. Charlotte aus Waldbröl hat vor den warzigen Gesellen keinerlei Berührungsängste; „Die sind sooo süß!“
Männchen klammern sich fest
Eine Krötenfrau hat kein leichtes Los. Sie muss sich durch Laub und Unterholz ihren Weg bahnen – den Bauch voll mit Laich. Kröten hüpfen nicht wie Frösche, sondern sie krabbeln mehr über den Boden. Langsam, Schritt für Schritt, kommt das Weibchen den Hang hinunter. Und dann passiert es. Ein Männchen hat die Schöne entdeckt und zögert keine Sekunde. Es setzt sich huckepack auf das Weibchen, klammert sich mit seinen Vorderbeinen fest und lässt sich tragen. Zwar sind die Männchen deutlich kleiner als die weiblichen Tiere, aber die zusätzliche Last wird die Krötenfrau doch spüren. Henning Haas: „Manchmal setzt sich auch mehr als ein Mann drauf. Neulich habe ich ein Weibchen gefunden mit fünf Männchen auf dem Rücken!“ Henning Haas pflückte der Ärmsten die Last vom Rücken – das ist übrigens gar nicht so einfach, denn die Männchen wollen ihren bequemen Reitplatz nicht aufgeben und klammern sich nach Leibeskräften fest. Bei Weitem nicht alle Männchen finden ein vierbeiniges Taxi hinunter zum Teich. Viele wandern auf eigenen Beinen auf der Suche nach dem Weibchen. Gehen sie leer aus, kehren sie zurück in den Wald – morgen ist schließlich auch noch eine Nacht. Die Pärchen, die es bis zum Teich geschafft haben, geben sich nun dem Akt des Laichens hin – ziemlich unromantisch und noch nicht mal mit innigem Körperkontakt. Das Weibchen drückt den Laich in Schüben aus dem Bauch. Die Männchen schwimmen darüber und befruchten den Laich mit ihrem Sperma. Der gesamte Laichvorgang dauert Stunden. Die Eier wickeln sich in langen Schnüren um Wasserpflanzen.
Nach dem Laichen kommt das Fressen
Ein sichtlich abgemagertes Weibchen geht danach wieder seiner Wege – und die führen hinauf in den Wald. Endlich ist dann die Zeit zum Fressen gekommen. Denn seit Oktober haben die Tiere in der Winterruhe nichts mehr zu sich genommen. Der Laich – pro Weibchen werden 3000 bis 6000 winzige schwarze Eier abgelegt – ist nun sich selbst überlassen. Nach ein paar Tagen entwickeln sich die Kaulquappen aus den Eiern. Wenn die „Metamorphose“ nach knapp drei Monaten abgeschlossen ist, gehen die jungen Kröten oft in großen Massen gleichzeitig ans Ufer: Der „Froschregen“ beginnt. Dann wimmeln überall winzige Jungkröten herum, sie sind nur sieben bis zwölf Millimeter groß. Erst nach drei Jahren werden die Tiere geschlechtsreif. Dann beginnt der Kreislauf von Wandern und Laichen von Neuem.
Das eisige Aprilwetter wird nun den Wandertrieb wohl vorerst lahmlegen. Gegen Ende der Woche dürfte es wieder losgehen.
Autor:Irene Hermann-Sobotka (Redakteurin) aus Siegen |
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