„Kurzarbeit auf Dauer keine Lösung“
ch Siegen. Stolpert Schwarz-Gelb in die Steuerfalle? Machen wir weiter Schulden ohne Ende? Wie viel Weitsicht und Mut bzw. Radikalität brauchen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Juniorpartner Guido Westerwelle (FDP) für die so drängenden Reformen? Fragen über Fragen. Denen sich Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank und zudem Christdemokrat, im Exklusivgespräch mit der SZ nicht entzogen hat. Hier einige Antworten.
SZ:Herr Prof. Dr. Walter, was würden Sie Angela Merkel und Guido Westerwelle raten, als Erstes zu tun?
Walter (nach langem Zögern): Ich würde den beiden raten, die Leistungskraft und die Leistungsfreude der Mittelschicht zur Orientierung ihrer Politik zu machen. Und dann sollten sie sich die Frage stellen, was unserer Gesellschaft in der nächsten halben Generation weiterhilft – damit sie nicht im typischen Vier-Jahres-Zyklus eines Politikers denken!
SZ:Und welchen Themen sollte sich die neue Regierung am ehesten widmen?
Walter: Da gibt es viel zu tun. Berlin muss den Schuldenberg abbauen und zugleich die Menschen wie die Unternehmen entlasten. Wer dabei den vermeintlich bequemen Weg der Steuererhöhung zum Generieren neuer Einnahmen gehen will, wird grandios scheitern. Mein Wunsch ist an dieser Stelle eine Vereinfachung des Steuersystems, so wie es die FDP versprochen hat. Etwa nach dem Muster: 20 Prozent Mehrwertsteuer, 20 Prozent Körperschaftssteuer, 20 Prozent Einkommenssteuer. Viel wichtiger aber: Wir können die unteren bis mittleren Einkommensgruppen nur über sinnvolle Grundfreibeträge entlasten. Darum müssen sich die Regierung und der Finanzminister im besonderen als Erstes kümmern. Das wäre gerecht!SZ:Und auf der Ausgabenseite? Wo würden Sie dort den Rotstift ansetzen?Walter: Schwierig, schwierig. Zwei Stichworte wären hier der Abbau von Bürokratie und der Abbau von Verwaltung. Im staatlichen Apparat ist vieles unvernünftig organisiert. Und zu viele kontrollieren sich gegenseitig. Ein ganz anderes, aber durchschlagenderes Thema: Die neue Regierung muss die Erhöhung des Renteneintrittsalters viel schneller als geplant durchziehen. Denn die meisten haben noch nicht begriffen, dass wir Jahr für Jahr rund 80 Mrd. Euro zur Rente zuschießen – aus dem Steuersäckel, wohl gemerkt.SZ:Eine Frage mit Regionalbezug. In unserem mittelständisch geprägten Wirtschaftsraum ist das Instrument der Kurzarbeit in Zeiten der Krise bislang oft und augenscheinlich erfolgreich genutzt worden. Sie kritisieren dies Instrument jedoch ...Walter: ... weil, wie ich immer wieder sagen muss, der Segen von Kurzarbeit nur von kurzer Dauer ist. Die Kurzarbeit sollte eine Brücke über das Tal der Krise sein. Aber wie tief und weit ist dieses Tal denn? Die Entscheidung zur Kurzarbeit ist zustande gekommen, weil man sich der mittelfristigen Knappheit bei Fachkräften voll bewusst war und auf einen kurzen Abschwung gesetzt hatte. Aber der Aufschwung ist noch nicht da und wird wohl noch auf sich warten lassen. Kurzarbeit ist für Unternehmen nicht billig und ist damit auf Dauer nicht durchzuhalten! Kurzarbeit ist wegen der Länge und Tiefe der Rezession keine Lösung.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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