Urteil im "Thai-Connection"-Prozess
Lange Haftstrafen für Drahtzieher

- April 2018: Bei der bundesweiten Razzia wurden Daeng B. und Martin J. als Kopf der Bande im Bordell an der Siegener Friedrichstraße festgenommen. Archivfoto: kalle
- hochgeladen von Redaktion Siegen
sz Siegen/Hanau. „Die Frauen und Transsexuelle, die nach Deutschland eingeschleust worden sind, stammen alle aus armen Verhältnissen“, sagt Richter Andreas Weiß und blickt in Richtung der Hauptangeklagten Deang B., die das Urteil regungslos entgegennimmt.
Weiß, der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer am Hanauer Landgericht, die coronabedingt im Congress Park Hanau verhandelt, nimmt in seinem Urteil gegen die fünf führenden Köpfe der „Thai-Connection“ kein Blatt vor den Mund. Er nennt B. die „Haupttäterin“, ihren Ehemann Martin J. den „Mittäter.“
Acht Jahre und neun Monate für Bordell-Chefin
Die Richter verurteilen die einschlägig vorbestrafte B. zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis, J. muss für viereinhalb Jahre hinter Gitter.
sz Siegen/Hanau. „Die Frauen und Transsexuelle, die nach Deutschland eingeschleust worden sind, stammen alle aus armen Verhältnissen“, sagt Richter Andreas Weiß und blickt in Richtung der Hauptangeklagten Deang B., die das Urteil regungslos entgegennimmt.
Weiß, der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer am Hanauer Landgericht, die coronabedingt im Congress Park Hanau verhandelt, nimmt in seinem Urteil gegen die fünf führenden Köpfe der „Thai-Connection“ kein Blatt vor den Mund. Er nennt B. die „Haupttäterin“, ihren Ehemann Martin J. den „Mittäter.“
Acht Jahre und neun Monate für Bordell-Chefin
Die Richter verurteilen die einschlägig vorbestrafte B. zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis, J. muss für viereinhalb Jahre hinter Gitter. Sie sind des schweren Menschenhandels, der schweren Zwangsprostitution, der gewerbsmäßigen Einschleusung, Ausbeutung und Zuhälterei schuldig gesprochen worden.
Doch das ist noch nicht alles. Obendrein haben sie Sozialversicherung und Fiskus in fast 90 Fällen betrogen. Daher wird die Strafe auch finanziell erheblich: „Die Einziehung von 1,16 Millionen Euro wird angeordnet“, heißt es im Urteilstenor von Weiß, der 44 Verhandlungstage des Mammutprozesses in 70 Minuten zusammenfasst.
Perfides System
Das Paar, das von Siegen aus den bundesweiten Bordellring leitete, habe vor allem Transsexuelle mit erschlichenen Schengen-Visa als angebliche Touristen in Deutschland eingeschleust. „Dort mussten sie dann die angeblichen Schulden zwischen 15.000 und 20.000 Euro abarbeiten. Sie hatten keinen Einfluss auf ihre Arbeit, konnten keine Freier ablehnen und mussten alle Sexualpraktiken über sich ergehen lassen“, stellt der Vorsitzende fest. Die „Thai-Connection“ sei zwar nicht mit körperlicher Gewalt vorgegangen, aber das perfide System aus „Schulden, wirtschaftlicher Abhängigkeit und psychischem Druck sowie verbalen Einschüchterungen“ habe dazu geführt, dass sich die Prostituierten gefügt hätten und den Freiern „24 Stunden zur Verfügung stehen mussten“.
„Aus Sicht der Prostituierten ist es eine Zwangslage gewesen, die Sie gezielt ausgenutzt haben“, sagt der Richter zu den beiden Hauptangeklagten. Ausbeutung, Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel seien durch unzählige Zeugen in dem über ein Jahr andauernden Prozess bewiesen worden. „Wir haben daran keinerlei Zweifel“, so der Kammervorsitzende. Martin J., der die Bordelle angemeldet hat und Eigentümer sowie Mieter war, habe davon ebenfalls profitiert. „Er lebte von den Geldern aus den Bordellen, die den Prostituierten weggenommen wurden – das sind 4000 Euro im Monat gewesen – netto“, sagt der Richter.
"Zweigstelle" in Dörnigheim
Dass es weitaus mehr Geld gewesen ist, hat sich während des Prozesses herausgestellt. Bei der deutschlandweiten Razzia im April 2018 hatten die Fahnder der Bundespolizei 210.000 Euro in einer Tiefkühltruhe entdeckt. Die beiden Schwestern Malai M. und Mali M., die in Dörnigheim das „Sun Thai “-Bordell betrieben, haben sich nach Erkenntnissen des Gerichts erst später der „Thai-Connection“ angeschlossen. „Sie wussten, dass die Prostituierten illegal waren“, sagt der Vorsitzende. Die Schwestern hätten auf Befehl von B. das Geld abgenommen und nach Siegen geschickt. „Die Opfer wurden mittellos gehalten, überwacht und ausgebeutet. Sie haben die Hilflosigkeit der Frauen in einem fremden Land ausgenutzt.“ Dennoch sei das „Regiment“ in Dörnigheim nicht so rigide gewesen wie in der Zentrale in Siegen.
Die Quittung kommt vom Gericht: Beide werden zu jeweils drei Jahren Gefängnis verurteilt. Weil sie jedoch seit der bundesweiten Großrazzia in Untersuchungshaft gesessen hatten und bereits während des Prozesses unter Auflagen auf freiem Fuß sind, ist es unwahrscheinlich, dass die Schwestern ihren „Bossen“ ins Gefängnis folgen müssen.
Staatsanwaltschaft zufrieden
Die fünfte Angeklagte ist nach Auffassung der Strafkammer nur ein „kleines Licht“, die als Putzfrau, „Hausdame“ sowie Kurierfahrerin eingesetzt wurde. Gegen sie wurde eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verhängt.
Zufrieden zeigt sich nach der Urteilsverkündung vor allem Katrin Rudelt von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, die zusammen mit Tobias Wolf von der Staatsanwaltschaft Hanau den Fall vor Gericht vertreten hat. Die Kammer folgte mit ihrem Urteil dem mehr als einstündigen Plädoyer von Rudelt und blieb beim Strafmaß minimal unter der Forderung der Anklägerin.
Autor:Redaktion Siegen aus Siegen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.