Nur ein leichtes »Warming up«
49. Tag im »Rotlicht«-Prozess / Zeuge ließ sich entschuldigen
pebe Siegen. Ohne große Schmerzen ging gestern der 49. Tag des »Rotlicht«-Prozesses über die Bühne. Denn jener Zeuge, der bereits am vorigen Verhandlungstag aussagen sollte, sich aber wegen drohender Dunkelmänner kurzfristig in die Verborgenheit zurückzog, ließ sich auch diesmal entschuldigen. Er könne »aus bestimmten Gründen« nicht gehört werden, sagte der Vorsitzende des Siegener Schwurgerichts, Richter Wolfgang Münker, zu Beginn der Verhandlung so rätselhaft wie eindeutig.
Danach ging es zum pflichtgemäßen »Warming up« zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Rechtsanwalt Dr. Jürgen Fischer hatte am vorherigen Verhandlungstag angeregt, die Vermerke eines von den Verteidigern nicht sonderlich geschätzten Kommissars im »Selbstleseverfahren« zu behandeln. Ziel: das Verfahren beschleunigen. Dazu meinte gestern Staatsanwalt Manfred Lischeck, bei Fischers Begründung sei er »versucht, an eine gewisse Scheinheiligkeit zu denken«, da der Anwalt seiner Meinung nach bislang wenig zur Beschleunigung beigetragen habe. Fischer schluckte dies zunächst recht artig, erwiderte jedoch später, die Erfahrungen mit der Vernehmung des Kommissars zeigten, dass dieser »unaufrichtig und wahrheitswidrig« antworte.
So richtig zum »Sparring« kamen Staats- und Rechtsanwalt dann aber nicht. Vielmehr lauschten alle Beteiligten der Aussage eines 40-jährigen Polizisten. Der hatte zu Zeiten der Autobombe nebenberuflichen Kontakt zu Harry S., einem der heute Angeklagten. Er arbeitete damals nebenbei für einen im Immobilien- und Finanzierungsgeschäft tätigen Mann, der später mit S. kooperiert und eine Bauträgergesellschaft betrieben habe. Der Mann habe Anfang 1992 begonnen, Kundengelder zu veruntreuen. Als er dies herausgefunden habe, so der Polizist, habe er Strafanzeige erstattet. Sein früherer Arbeitgeber sei geflohen.
Harry S. habe auf ihn damals einen seriösen, »soliden« Eindruck gemacht. Er sei ein Workaholic gewesen, bestätigte er auf Nachfrage von Rechtsanwalt Rüdiger Böhm, »der Tag hatte nicht genug Stunden für ihn«. S. sei über das Verschwinden seines Kompagnons genauso überrascht gewesen wie er selbst. Über den Bombenanschlag, nach dem er selbst schnell dienstlich am Tatort war, habe er mit S. nicht bewusst gesprochen, jedoch könne es sein, dass S. im Büro bei offener Tür gehört habe, als er davon erzählte.
Weil nun der bedrohte Zeuge nicht zur Verfügung stand, beschäftigte sich das Gericht anschließend mit dessen Vorstrafen. Davon gab es drei, alle im Bereich Betrug angesiedelt. Die letzte: ein Verfahren vor dem erweiterten Siegener Schöffengericht. Dort war der heute 40-Jährige in einer mehrstündigen Verhandlung zu einer 20-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Seine Mittäter wurden in einem anderen, monatelangen Verfahren zu Freiheits- und Bewährungsstrafen strafen verurteilt. Anwalt Dr. Fischer meinte nach Verlesung des Urteils sarkastisch, es sei ja wohl klar, wie das Verfahren gelaufen sei. Darauf der Kammervorsitzende schlagfertig: »Jedenfalls schneller als diese Hauptverhandlung.« Fortsetzung folgt am Fastnachtsdienstag.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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