Ordnungshaft und Gedächtnislücken
Weitere Zeugenaussagen im Prozess gegen Siegener Notar / Erinnerungen sehr schwierig
pebe Siegen. Der Zeuge lehnte sich trotzig zurück: »Ich mache keine Aussage.« Richterin Elfriede Dreisbach hob kaum merklich die Augenbrauen: »Sie müssen hier aussagen.« Der Zeuge blieb trotzig. Er werde keine Aussage machen. Scheinbar amüsiert schüttelte die Richterin den Kopf: »Was soll das? Ich ziehe Ihnen alles aus der Nase, und wenn wir hier bis heute Abend sitzen.« Der Zeuge wich dem richterlichen Blick aus. Er habe doch schon ein paarmal alles gesagt und wolle nicht mehr aussagen. Richterin Dreisbach zitierte aus der Strafprozessordnung: Wenn ein Zeuge die Aussage ohne gesetzlichen Grund verweigere, könne Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden. »Das ist es doch nicht wert.« Aber erst, nachdem sie ihm die Auswirkungen der Ordnungshaft erklärt hatte, gab der Zeuge seinen Widerstand mit der Frage auf: »Sind das die deutschen Gesetze?« Dreisbach nickte.
Auch der gestrige dritte Verhandlungstag im Berufungsprozess gegen einen Siegener Rechtsanwalt und Notar wegen des Vorwurfs 16-facher Falschbeurkundung (die SZ berichtete) gestaltete sich schwierig. Vier Zeugen waren vom Gericht geladen worden, und immer wieder klang das Zeugenbekenntnis »Ich weiß es nicht mehr« durch den Saal. Kein Wunder, nach sechs Jahren, die seit den Beurkundungen, die dem Notar vorgeworfen werden, vergangen sind. Immer wieder aber klang auch eine »Grundversion« bei den Zeugen durch. Der Makler einer Bausparkasse habe sie zu einem Termin in sein Büro eingeladen und dann mit dem Vorschlag »überrumpelt«, nun zu dem Notar zu gehen, wo dann beinahe unvermittelt eine Beurkundung stattgefunden habe. Die meisten Zeugen fühlten sich »irgendwie übers Ohr gehauen«.
Vorwürfe aus der Anklage besagen, die Beurkundungen hätten mal gerade eine Viertelstunde gedauert, viel zu wenig, wenn viele Seiten Kaufangebot Wort für Wort vorgelesen werden müssen. Ein weiterer Vorwurf, den Zeugen gestern wieder erhoben: Der Notar habe ganze Seiten überblättert bzw. an bestimmten Stellen gesagt, das könne man übergehen, weil es nicht wichtig sei.
Die Verteidiger versuchten akribisch, das Geschehen nach den Beurkundungen aufzuklären: Detailfragen nach Informationen, die später in einer Dienstaufsichtsbeschwerde auftauchten, aber nach Aktenlage falsch waren. Dabei nahmen sie eine Zeugin regelrecht »in die Zange«. Die Befragung mache sie krank und rege sie furchtbar auf, wehrte sich die Frau gegen die »Bedrängnis« durch die Anwälte. »Und mich regt auf, dass Sie nicht rot werden«, konterte Edgar Grunenberg scharf. – Es ist nun einmal häufig das Los von Zeugen vor Gericht, dass sie sich durch scharfe Nachfragen der Verteidiger auf die Anklagebank gesetzt sehen.
Eine weitere Zeugin erzählte, sie habe sich nach der recht plötzlichen Unterzeichnung des Vertrags (der Makler habe auf schnelle Entscheidung gedrängt) erstmal nichts Böses dabei gedacht. Erst in anderen Zusammenhängen habe sie erfahren, dass der Notar nicht ordnungsgemäß beurkundet haben sollte. Und erst da habe sie gedacht, dass auch ihre Beurkundung sehr schnell gegangen sei. Der Prozess wird fortgesetzt.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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