Perfekt polierte Polemik

- Ein Genuss fürs Publikum war der Abend mit Max Goldt im Lÿz. Foto: ne
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ne Siegen. „Sie werden kaum ertragen können, was Ihnen mitgeteilt wird“, befürchtet der Untertitel des neuen Prosabandes des unlängst zu Recht Hugo-Ball- und Kleist-Preis-Gekürten, und aus eben diesem „Buch namens Zimbo“ las Max Goldt dem Publikum im ausverkauften Schauplatz Lÿz in Siegen vor. Freilich waren die feinsinnigen Randbemerkungen des „Titanic“-Kolumnisten zu zum Teil lästigen Alltagsphänomenen schon allein durch eloquenten Stil und gewürzt mit reichlich Humor vorzüglich zu ertragen, so gut, dass der süffisante Satiriker nicht ohne eine dreiteilige Zugabe von der Bühne gelassen wurde.
Hier in Siegen hat der 1958 in Göttingen Geborene viele langjährige Fans, ist Goldt doch schon zu Beginn der 90er zweimal in Siegen zu Gast gewesen, seinerzeit fast noch als Geheimtipp der Satireszene im kleinen Kreis im Café des Kulturvereins VEB, später schon vor größerem Publikum im mittlerweile einem Verkehrskreisel gewichenen „Theater in den Hallen“ desselben Veranstalters. Daran konnte oder wollte sich Goldt zu Beginn seiner Zimbo-Buch-Lesung kaum erinnern, doch fragte er sich laut nach Ende der Show, warum er 16 Jahre verstreichen ließ und nicht schon längst wieder einmal im Siegerland gastiert hat, denn er war begeistert vom freundlichen Siegener Publikum – was sich auch in der anschließenden Signierstunde ausdrückte, in der sich der gefeierte Wortkünstler Zeit für Gespräche nahm.
Die Wortkunst, ja: Die Sprachmagie Max Goldts zu beschreiben, erweist sich als müßiges Geschäft – wie will man adäquat die wirklich schönen Satzkonstruktionen loben, den immer wieder überraschend originellen und treffenden Wortwitz schildern oder wiedergeben? Goldt gehört einfach gelesen, oder besser noch, von Goldt gelesen gehört, denn viele seiner Bücher und Kolumnensammlungen gibt es auch als Hörbuch, was besonders den oft dialogisch konzipierten Grotesken zugutekommt, die er mit unterschiedlichen Stimmlagen differenziert und plastisch vorträgt.
Nach dem Prinzip „Degression im Plauderton“ kommen Goldts Texte von Sodbrennen zu Snobismus, von konsequentem Rauchverbot zum reglementierenden Staat zu nahezu mit dem Makroobjektiv protokollierten und kommentierten Lüsten und Lastern des Goldt’schen Personals. Goldt kann – längst von niemandem bezweifelt – das sehr gut, was er tut, und seien seine schöngeistigen Satzmonster auch lange, verschlungene Schlangen, sie finden immer ihren eigenen Schwanz zum Hineinbeißen, ihr syntaktisch korrektes Ende, was selten ist in einer von flachen Fernsehstars bevölkerten Zeit, etwa einer Heidi Klum, die Goldt als „kalten Beautyapparatschik“ entlarvt, die, da sie selbst „wie eine Säge“ spricht, ihren bemitleidenswert hohlen Elevinnen den so bitter benötigten Sprach- und Sprechunterricht vorenthält. Und vor albernen Fernsehkomikern muss Goldt seine kostbaren Pointen hüten, denn „die stehlen wie ukrainische Stricher“.
Das Publikum genoss den Abend, obwohl Goldt die inflationär versprachlichte Genussfloskel verdammt. Widersprechen wir ihm hier energisch: Goldt ist Genuss, wenn man auf perfekt polierte Polemik steht, und seine kultur- und gesellschaftskritischen Textinhalte sind zwar kaum zu ertragen, aber sprachlich wunderschön.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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