Pingpong vor den Richtern
Siegener Rotlichtprozess »knabberte« an streitbarem Zeugen
pebe Siegen. Rotlichtprozess, 44. Tag. Nach Antragsfluten und Über-die-Zeit-Hangeln machte gestern eine neue Sportart im Gerichtssaal die Runde: Pingpongspiel zwischen Verteidigern und einem Zeugen. Wieder im Kreuzfeuer der Anwälte: ein heute 53-jähriger Mann aus dem Rheinland. Er hatte sich vor gut drei Jahren in die damaligen Ermittlungen in Sachen Mord und Totschlag katapultiert, als er in einem Brief an die Siegener Staatsanwaltschaft andeutete, er könne wichtige Aussagen zur Autobombe machen. Schon am vorigen Verhandlungstag war der 21-mal vorbestrafte Detektiv befragt worden (die SZ berichtete).
Der 53-Jährige hatte nach eigenen Angaben im Kölner Knast Kontakt mit Harry S., einem der acht derzeit in Siegen angeklagten Männer. S. habe ihn, den Justizerfahrenen, zur Vorbereitung auf seine eigene Verhandlung um Hilfe gebeten, berichtete er. Im Lauf der Gespräche habe er auch von Vorgängen rund um die Autobombe berichtet und dem Zeugen seine Akten zur Durchsicht überlassen. Der 53-Jährige habe sich dazu Notizen gemacht und sich später mit Staatsanwalt Manfred Lischeck in Verbindung gesetzt.
Gestern war erneut Fragestunde der Verteidigung. Zunächst aber hatte der Vorsitzende des Siegener Schwurgerichts, Wolfgang Münker, die Vorstrafen des Zeugen und drei Urteile Kölner Richter verlesen, in denen es um betrügerische Machenschaften des 53-Jährigen ging. So hatte er u.a. mit angeblichen Informationen zu laufenden Verfahren Geld »erwirtschaften« wollen. Nach seiner Verurteilung hatte er erfolglos Berufung eingelegt. Im Berufungsurteil hatte es u.a. geheißen, es sei »unwahrscheinlich, dass der Angeklagte überhaupt noch mit strafrechtlichen Mitteln beeindruckt werden kann«. Zudem wurde er als »notorischer Rechtsbrecher« eingestuft. Eine spätere Revision hatte jedoch die Aufhebung seines Berufsverbots zur Folge.
Rechtsanwalt Dr. Jürgen Fischer hatte noch Fragen an den Zeugen – sein Kollege Dr. Ulrich Endres kommentierte das mit den Worten: Tu uns den Mann doch nicht noch mal an!« Fischers Fragen bezogen sich auf den Kontakt des Zeugen mit der Staatsanwaltschaft. Aber alle Versuche des Verteidigers scheiterten, seinem Gegenüber das Eingeständnis zu entlocken, dass er versucht habe, mit den Ermittlern einen »Deal« zu tätigen. Immer wieder wich er den bohrenden Fragen Fischers aus und versuchte mit rhetorischem Geschick, den Spieß umzudrehen. Und wie schon oft in diesem Verfahren klang auch jetzt häufig wieder der Satz in Richtung Verteidigung: »Ich kann mich nicht erinnern.« Als Fischer ihm »Durchtriebenheit« vorwarf, konterte er: »Das macht der Umgang mit euch.«
Auch Thomas Pusch, mit Rüdiger Böhm zusammen Verteidiger des belasteten Harry S., hatte nicht viel Erfolg mit seinen Fragen. Als er vom Zeugen schließlich Einzelheiten aus früheren Verfahren erfahren wollte, mauerte der 53-Jährige: Darüber müsse er keine Auskunft geben. Grund: Er wolle ein Wiederaufnahmeverfahren betreiben. Fortsetzung am kommenden Montag.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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