„Privatknast“ war gut besucht

- Der ehemalige Heimleiter der Notunterkunft in Burbach gab Einblicke in das „Problemzimmer“ der Einrichtung auf der Lipper Höhe. Mit im Bild sein Rechtsbeistand Lars Leininger (r.). Foto: kalle
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Während der Mammutprozess in der Siegerlandhalle gegen über 30 Angeklagte wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Androhung von Gewalt in der Burbacher Notunterkunft, zugetragen in den Jahren 2013 und 2014, wegen diverser Scharmützel verschiedener Verteidiger nur schleppend vorankommt, kam am Donnerstag in dem abgetrennten Verfahren gegen den ehemaligen Leiter der Einrichtung Bewegung in die Sache. Dem 38-Jährigen wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, als damaliger Heimleiter die Hauptverantwortung für die unerträglichen Zustände in den sogenannten Problemzimmern zu tragen.Die 1. große Strafkammer des Siegener Landgerichts unter Leitung von Elfriede Dreisbach traf vorab mit Oberstaatsanwalt Christian Kuhli und Verteidiger Lars Leininger eine Vereinbarung: Man verständigte sich auf ein Strafmaß zwischen einem Jahr und 18 Monaten Gefängnis mit einer auf zwei Jahre angesetzten Bewährung. Zusätzlich soll der Angeklagte eine Geldstrafe von 1200 Euro zahlen. Voraussetzung für den Deal war und ist ein umfassendes Geständnis.
Also legte der Angeklagte los. Er erzählte dem Gericht, wie er überhaupt zu der Arbeitsstelle auf der Lipper Höhe gekommen war. Beworben hatte er sich bei der European Homecare (EHC) GmbH mit Sitz in Essen auf eine ausgeschriebene kaufmännische Stelle. EHC, die sich auf die Verwaltung von Asylheimen spezialisiert hatten, fand den Mann im Vorstellungsgespräch offensichtlich so eloquent, dass ihm das Unternehmen wenige Tage später einen Job als Leiter der Unterkunft anbot. Ohne jegliche Vorkenntnisse in diesem Bereich sagte der 38-Jährige zu. Er fing bereits wenige Tage später als Chef in Burbach an. Das Essener Unternehmen hatte ihm einen erfahrenen Mitarbeiter zur Seite gestellt. Der war es nach Angaben des Angeklagten auch, der die Dinge rund um das Problemzimmer gerne alleine löste. Kein Mitarbeiter der Einrichtung wollte gerne die Polizei im Haus haben. So sei einiges an ihm vorbeigegangenen, berichtete der 38-Jährige. Wichtig sei dem Unternehmen eine unauffällige Außenwahrnehmung des Heims durch die Öffentlichkeit gewesen. Vor schlechter Presse hatte man offenbar Angst.
Schon relativ schnell habe man sich im Leitungsteam mit der Einrichtung eines „Problemzimmers“ befasst. Immer wieder sei es zwischen den Bewohnern zu Auseinandersetzungen gekommen. Männer wie Frauen hätten mitgemacht. Die Hausordnung habe das Rauchen und Alkohol verboten, doch daran hätten sich einige Männer nicht gehalten. Das „Problemzimmer“ sollte dazu dienen, Streithähne zu trennen, um so wieder für Ruhe zu sorgen. Auch den Rauchern in den einzelnen Zimmern der Unterkunft habe man Grenzen aufzeigen wollen. Ähnliche „Problemzimmer“ habe es in anderen Asyleinrichtungen gegeben, wusste der Angeklagte zu berichten. Er selbst habe den Männern des Wachdienstes mehrmals schriftlich mitgeteilt, die Asylbewerber im „Problemzimmer“ nicht einzuschließen oder gar zu schlagen. Wie sich erst später herausgestellt habe, sei man seinen Anweisungen aber nicht gefolgt.
Häufig habe die Unterbringung in dem Problemzimmer in den Nachtstunden stattgefunden. Zu der Zeit sei er nicht mehr in der Einrichtung gewesen. Oft seien ihm die nächtlichen Geschehnisse im Nachgang nicht zugetragen worden. Nach und nach seien aus dem einen „Problemzimmer“ gleich drei solcher Räumlichkeiten geworden. Alle in der Notunterkunft hätten von den speziellen Zimmern gewusst. Wachleute, Sozialbetreuer und auch die beiden Beamten der Bezirksregierung Arnsberg seien im Bilde gewesen. Oberstaatsanwalt Kuhli wollte wissen, ob er außerdem mit Polizisten der Kreispolizeibehörde detailliert über die „Problemzimmer“ gesprochen habe. Der einstige Heimleiter verneinte dies. Der Prozess wird fortgesetzt.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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