Produktionsunternehmen: Der Einkauf ist noch immer offline
Siegener Forum für Logistik zeigte Perspektiven und Grenzen des E-Procurement auf / Fax und Telefon dominieren die Beschaffungs-Kommunikation
Weidenau. Der Boom ist zwar vorbei, doch Wachstum verzeichnet das so genannte E-Business, das Wirtschaften auf elektronischer Basis also, noch immer: Vor allem die Online-Beschaffung, neudeutsch E-Procurement, wird für mittelständische Unternehmen immer interessanter. Das ist die Zwischenbilanz des zweiten Siegener Forums für Logistik. Zu der Veranstaltung hatte Prof. Dr. Ulrich Stache als Fachmann für Logistik in Produktionsunternehmen mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer Siegen und des Vereins Deutscher Ingenieure geladen.
Im GIT-Zentrum der Universität Siegen beschäftigten sich die Workshopteilnehmer einen Tag lang mit Perspektiven und Grenzen der elektronischen Beschaffung, mit dem Management via Internet von Wertschöpfungsketten im Allgemeinen und von Warenwirtschaftssystemen im Besonderen. Kostenreduktion, Steigerung der Sevicequalität, Verbesserung der Unternehmensprozesse. Für das E-Procurement sprechen viele Argumente, doch wie sieht der Beschaffungsmarkt in der Praxis aus? Das wollte z.B. auch Referent Prof. Dr. Peter Scharf wissen und führte deshalb gemeinsam mit einem seiner Diplomanden am Institut für Fertigungstechnik der heimischen Hochschule eine Befragung in der Wirtschaft der Region durch.
Die Ergebnisse ernüchtern: Das Faxgerät ist bei den Einkäufern in produzierenden Unternehmen noch immer das meist genutzte Werkzeug, die Beziehungspflege bei den südwestfälischen Fertigern geschieht am Telefon. Dies noch immer aktuelle Bild zur Jahreswende 2001/2002 skizzierte Scharf den Workshopteilnehmern. 45 Unternehmen hatten an der Umfrage teilgenommen, zum Großteil Betriebe aus den Branchen Metallverabeitung, Maschinenbau und Elektroindustrie. »Ein repräsentativer Spiegel des Mittelstands«, fand der Wissenschaftler, denn es handele sich meist um kleine und mittlere Firmen mit bis zu 200 Mitarbeitern und einem jährlichen Pro-Kopf-Umsatz von über 200000 e jährlich. Bei diesen Betrieben lag der Wertanteil des Einkaufsvolumens am Umsatz bei durchschnittlich 40 bis zu 50 %, E-Procurement »müsste hier doch sehr interessant sein«, mutmaßte Scharf.
Und gab den Zuhörern dann detalierte Einblicke: Nur sieben Unternehmen nutzten laut Umfrage den Zugang zu elektronischen Marktplätzen, auch wenn der Großteil der Befragten um die vermeintlichen Vorteile der Online-Plattformen wisse. Fax, Telefon und persönlicher Kontakt zählen eben. Direkte Verbindung über so genannte Desktop-Purchasing-Systeme existieren kaum, die Onlineauktion wird in Südwestfalen selten angeboten oder ausgeübt, so Scharf. Immerhin – interessant mit Blick auf die Branchen – haben etliche Unternehmen in einen Internetshop investiert und füllen ihn auch mit Leben und Inhalten.
Die Gründe für das derzeit gebremste Engagement sieht Scharf in der innerbetrieblichen Organsation des Einkaufs und in den Erwartungshaltungen der Einkäufer selbst. Das »Beschaffungsteam« besteht oft nur aus einer Person, bei größeren Mittelständlern wird selten in einen strategischen und operativen Einkauf unterschieden – »ein Manko«, kritisiert Scharf. Außerdem bestellen bisher nur sechs der Befragten aus der Produktion heraus »just in time«, Einkaufsverbünde werden nur von den Automobilzulieferern genutzt.
Hinzu kommen die Bedenken: E-Pro-curement bringe der eigenen Branche kaum Nutzen, da gebe es mangelnde Sicherheit und rechtliche Unwägbarkeiten und kaum positive Resonanz bei den eigenen Lieferanten. »Dennoch«, sagt Scharf, »wird sich E-Procurement durchsetzen«, denn gerade auf dem Mittelstand laste die Marktmacht und Technologiebereitschaft der Großkunden.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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