Sechs Stunden verschüttet
Die Weidenauerin Elisabeth Schäfer wird heute 101 Jahre alt
juwi Weidenau. Dass Elisabeth Schäfer zu den zehn Siegenern gehört, die die Hundert überschritten haben, sieht man ihr wahrhaftig nicht an. Noch an allem interessiert, fühlt sie sich auch mit ihren 101 Jahren »nicht anders als vorher«.
Geboren wurde die Jubilarin in Wuppertal. Von da aus gings 1909 ins Siegerland nach Ferndorf, wo der Vater eine Stelle als Schuldirektor antrat. Der kleinen Elisabeth kam das entgegen. Sie genoss mit der älteren Schwester die erweiterteren Spielmöglichkeiten auf dem Lande. Angst vor Verkehr gab es jedenfalls nicht: »Ein Auto hatten nur der Fabrikant und der Arzt.«
Die begabte Schülerin besuchte von 1912 bis 1919 Stift Keppel mit dem Abschluss der mittleren Reife. Abitur für Mädchen war noch nicht drin. Erst die sechs Jahre jüngere Schwester konnte den höheren Abschluss machen. Allerdings reiste dazu eigens ein Direktor aus Berlin an, um sich persönlich vom Können der jungen Dame zu überzeugen. Elisabeth Schäfer entschied sich für eine Ausbildung zur Krankenschwester, nicht in Siegen, sondern im hohen Norden. Das sollte der Gesundheit dienlich sein. Den erlernten Beruf konnte sie dann doch nicht ausüben, da sie als Folge einer Diphtherie-Erkrankung einen Herzschaden erlitt. So besuchte sie ein Jahr lang die höhere Handelsschule in Siegen und war anschließend mehrere Jahre in verschiedenen Firmen tätig.
1929 folgte dann die Heirat und der Umzug nach Weidenau. Zwei Söhne und eine Tochter wurden geboren. Im Februar 1945 wurde das Weidenauer Haus zerbombt, die Familie suchte Schutz bei der väterlichen Verwandtschaft in Ferndorf. Tragisch: Bei einem erneuten Angriff wurde die junge Mutter mit ihren Kindern dort verschüttet und konnte erst nach sechs langen Stunden aus dem zerstörten Haus gerettet werden. Neue Unterkunft war ein Notquartier in Kredenbach.
Im Mai desselben Jahres dann die schreckliche Nachricht, dass der Ehemann und Vater beim Kampf um Siegen ums Leben gekommen war. Auf sich alleine gestellt kehrte Elisabeth Schäfer mit den Kindern in die teilzerstörte Weiden-auer Wohnung zurück. 1969 musste die Familie noch einmal den Wohnort wechseln. Das Haus in der Grabenstraße fiel dem Bau des Siegerlandzentrums zum Opfer. Seit zwei Jahren wohnt die Jubilarin im Fliednerheim in der Luisenstraße. Täglich erhält sie dort Besuch vom Sohn. Die beiden anderen Kinder verschlug es nach dem Studium nach Hannover und Bonn. Zur Feier des Ehrentages werden sie – wie die drei Enkel – die Reise ins Siegerland antreten.
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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