„Sixpack” Dekostoffe geklaut
Richterin gab wegen Unterbringungsfrage Zuständigkeit ab
Siegen. Aufgeregt und entschlossen saß die Angeklagte neben ihrer Verteidigerin. Nein, sie habe die sechs Deko-Schals nicht gestohlen. Auf keinen Fall. Sie habe die Ware nur ihrem Freund auf dem Parkplatz zeigen wollen. Das glaubten ihr Oberamtsanwalt Jürgen Dreisbach und Einzelrichterin Sabine Korte nicht so ganz. „Sie sollen versucht haben, die Schals in den Rücken Ihrer Latzhose zu stopfen”, las die Richterin aus den Akten vor. „Ich besitze überhaupt keine Latzhose, und was der Zeuge gesagt hat, ist falsch”, kam prompt die Antwort.
Der 24-jährige Kaufhausdetektiv allerdings bestand auf seiner Aussage und wiederholte sie im Zeugenstand. Die Angeklagte habe sich die Dekoartikel genommen und sei damit in die Gartenabteilung des Kaufhauses gegangen. Dort habe sie dann mit dem Rückenteil ihrer Latzhose gekämpft. Als das „Sixpack” aber nicht hineinpasste, habe sie die Sachen in einer Tüte mit ordnungsgemäß gekauften Artikeln verstaut und dann versucht, das Gelände zu verlassen. Auf dem Parkplatz des Kaufhauses habe er sie dann angesprochen. „Das hört sich aber ein bisschen anders an”, meinte die Richterin. Ihr Gegenüber bestritt aber weiterhin jegliche strafbare Handlung. Mit dem Gesichtsausdruck einer Orakelwerferin öffnete Richterin Korte den Umschlag mit dem Auszug aus dem Vorstrafenregister: Zwölf Eintragungen fanden sich da, die meisten Diebstähle. Deshalb hatte sie schon „gesessen”, mehrfach waren Bewährungen auf dem Gnadenweg ausgesprochen worden. Licht in dieses Gestrüpp brachte die Bewährungshelferin, die von einem massiven Tablettenmissbrauch, zwei Scheidungen und Schulden aus den Strafverfahren berichtete. Ein psychiatrisches Gutachten spreche von komplizierten neurotischen Zügen mit einem Abhängigkeitssyndrom, das u.a. zu einer Essstörung geführt habe. Etliche Therapien habe die Angeklagte ergebnislos abgebrochen.
Nun wolle die Angeklagte eine stationäre Langzeittherapie, damit sie ihr Verhalten grundlegend ändern könne. „Ich denke an Paragraf 63 StGB”, meinte der Oberamtsanwalt, zur Richterin gewandt. Und die nickte und entschied: „Die Zuständigkeit des Amtsgerichts hat ein Ende.” Zu Deutsch: Paragraf 63 ordnet die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, „wenn zu erwarten ist, dass die Angeklagten weitere Straftaten begehen wird und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich” ist. Dies im Fall der kranken Angeklagten zu entscheiden, ist nun Sache einer Strafkammer am Landgericht.
pebe
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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