„Überstunden“ mussten einfach sein

- Hans-Hermann Thielke versucht sich neuerdings, nachdem er von der Post für den Arbeitsmarkt freigegeben wurde, im Showgeschäft. Oha! Foto: aww
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aww Siegen. Eins muss man Hans-Hermann Thielke lassen: Sein Selbstvertrauen ist unerschütterlich. Der norddeutsche Spießer, dessen Laufbahn bei der Post seitens des Chefs beendet wurde und der seither jeden Mittwoch in der Arbeitsagentur mit der „Aufbaugruppe 50 plus“ das Motivationslied „Denk positiv“ anstimmt, will auf dem zweiten Bildungsweg ins Showgeschäft. Oha! Wenn das alles so schiefgeht, wie die Typberatung, dann gute Nacht: Pomadenfrisur mit Seitenscheitel, grau-karierte Hose mit Hochwasser und braunen Schuhen dazu, hellgelber Pullunder und roter Schlips. Geht gar nicht. Doch Thielke ist restlos überzeugt von sich. Und vielleicht hat er ja gar nicht so unrecht – in Zeiten, wo Figuren wie Daniel Küblböck es ins Showgeschäft schaffen, sollte das auch dem biederen Ex-Postler gelingen.
Ja, es gibt ein Leben nach der Post, weiß der Comedian, der am Freitagabend die Besucher des Siegener Sommerfestivals im recht gut gefüllten Kleinen Theater Lÿz zu seiner großen Hans-Hermann-Thielke-Show begrüßte. Motto des Abends: „Jetzt oder nie!“ Mit starrem Blick und einem Gesichtsausdruck zwischen Be- und Entgeisterung sowie holprig-steifer verbaler Ausdrucksweise redet er sich die freigebliebenen Zuschauersitze schön oder erklärt anschaulich die Funktion des Gehirns anhand des Weges der Sprache über die „unterirdischen Leitungsbahnen“ von hinten über die Ohren nach vorn. Dann ist Showtime, und er gibt eine an Virtuosität kaum zu unterbietende Jonglagenummer mit drei Tüchern zum Besten. Kaum höhere artistische Ansprüche stellt im Übrigen später die Shownummer auf dem Bürostuhl. Thielke jammert über seinen vom Marder befallenen Ford Fiesta, der dank des tierschützenden Nachbarn zum Naturschutzgebiet ernannt wurde, gibt Kostproben aus seinem neuen Witzeprogramm (hua, hua …), erzählt, wie er sich vorm Ex-Kollegen in der Tiefkühltruhe des Supermarktes versteckte, und für „Deutschland sucht den Superstar 50 plus“ trällert er die „Fiesta Mexicana“ – hossa! Dass die Dame von der Plattenfirma so recht nichts von ihm wissen will, davon will er nichts wissen. Schlimmer: Er merkt es gar nicht.
Es wird sich zeigen, ob sich Thielke die Welt des Glitzers und des Glamours, der Stars und Sternchen erobern kann. Vielleicht werden die Zuschauer irgendwann erfahren, wie weit er es gebracht hat. In einer Fortsetzung, wer weiß?
Einstweilen dürfte feststehen, dass der Comedian Thielke mit seinem aktuellen Programm seinen Platz in der deutschen Kleinkunstszene behauptet. Das macht einfach Spaß, das ist komisch, und man kann gar nicht anders, als die Veranstaltung gut gelaunt zu verlassen. Auch wenn für Thielke, den ehemaligen Postler, Zugaben so etwas wie Überstunden sind: Diesmal mussten sie einfach sein. Und zwar sogar zwei!
Autor:Archiv-Artikel Siegener Zeitung aus Siegen |
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