Bekannter Friedensaktivist
Whistleblowing: Hermann Theisen vor dem Landgericht Siegen

- Hermann Theisen aus Hirschberg verteilte vor der Erndtebrücker Kaserne Flyer mit der Aufforderung an die Soldaten, Geheimnisse über Drohneneinsätze zu verraten. Am Freitag steht er in Siegen vor Gericht.
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howe Siegen/Erndtebrück. Ein in der Öffentlichkeit bekannter Friedensaktivist muss sich am Freitag vor dem Siegener Landgericht verantworten, wie dieser selbst in einer Pressenotiz mitteilt: Hermann Theisen aus Hirschberg in Baden-Württemberg. Der Mann hatte im Dezember 2019 im Bad Berleburger Amtsgericht den Schuldspruch und eine 750-Euro-Geldstrafe hinnehmen müssen, daraufhin legte er Rechtsmittel ein. Fein gekleidet, freundlich und gebildet sorgte Theisen für einen durchaus ungewöhnlichen Verhandlungstag. Denn was die Staatsanwaltschaft Siegen dem Mann vorwarf, hatte weniger mit den für die örtlichen Verhältnisse gewöhnlichen Delikten denn mit großer Weltpolitik zu tun.
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howe Siegen/Erndtebrück. Ein in der Öffentlichkeit bekannter Friedensaktivist muss sich am Freitag vor dem Siegener Landgericht verantworten, wie dieser selbst in einer Pressenotiz mitteilt: Hermann Theisen aus Hirschberg in Baden-Württemberg. Der Mann hatte im Dezember 2019 im Bad Berleburger Amtsgericht den Schuldspruch und eine 750-Euro-Geldstrafe hinnehmen müssen, daraufhin legte er Rechtsmittel ein. Fein gekleidet, freundlich und gebildet sorgte Theisen für einen durchaus ungewöhnlichen Verhandlungstag. Denn was die Staatsanwaltschaft Siegen dem Mann vorwarf, hatte weniger mit den für die örtlichen Verhältnisse gewöhnlichen Delikten denn mit großer Weltpolitik zu tun.
Hermann Theisen rief laut Anklage zum "Whistleblowing" auf
Kein Betrug, kein Fahren ohne Fahrerlaubnis, keine Beleidigung oder Körperverletzung auf einem Dorffest. Nein, Hermann Theisen musste vor Gericht, weil er zum „Whistleblowing“ aufgerufen hatte. Seit vielen Jahren macht der Friedensaktivist das. Im Sommer hatte er zunächst vor dem US-Stützpunkt Ramstein, am United States Africa Command in Stuttgart sowie am Bundesverteidigungsministerium in Bonn „militärkritische Flugblätter“ verteilt. Danach stellte er sich vor die Erndtebrücker Hachenbergkaserne, um seine Zettelchen unter die Leute zu bringen.
Sobald ein Soldat das Eingangstor verließ, drückte Hermann Theisen ihm eines seiner Flugblätter in die Hand. Darin forderte er Soldaten und Zivilbeschäftigte auf, die Öffentlichkeit über die von Ramstein aus laufenden, weltweiten Drohneneinsätze der US-Army und des CIA zu informieren. Die Bundesregierung unternehme viel zu wenig, „um diesen rechtsstaatlich völlig inakzeptablen Sachverhalt aufzuklären“, stellte Hermann Theisen fest. Dabei würden Menschenrechts- und Friedensorganisationen die Bundesregierung seit Jahren schon auffordern, die Unterstützung von Drohnenangriffen durch die Satelliten-Relaisstation in Ramstein zu unterbinden. Nach den Aktivitäten des 56-Jährigen leiteten mehrere Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren gegen Hermann Theisen ein – wegen öffentlicher Aufforderung zu Geheimnisverrat und somit zu Straftaten.
Hermann Theisen vergleicht Prozess mit einer Seifenblase
Denn, so argumentierte damals Siegens Oberstaatsanwalt Christian Kuhli, die umfassenden Informationen, die der Angeklagte verlange, könnten ihm die durch die Flugblätter angesprochenen Personen nur durch einen Verstoß gegen ihre Geheimhaltungspflichten gegenüber ihrem Dienstherrn erteilen. In Bad Berleburg verglich Hermann Theisen die Gerichtsverhandlung mit einer Seifenblase. Er werde angeklagt und dann zerplatze das Ganze.
Das Landgericht Siegen habe im Beschlagnahmebeschluss argumentiert, das Verteidigungsinteresse der Bundeswehr sei höher zu bewerten als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Der öffentliche Friede werde durch die Bereithaltung von Atomwaffen und durch Drohneneinsätze gestört. „Weder Inhalt noch Verteilung der Flugblätter sind strafbar“, so Hermann Theisen, zumal er in seinen Flugblättern die Soldaten und Bediensteten auf das Risiko hinweise, strafrechtlich belangt zu werden, sofern Geheimnisse verraten würden. Bad Berleburgs Amtsrichter Torsten Hoffmann sprach Hermann Theisen von fast allen Anklagen frei. Von „fast“ allen. Eine Strafbarkeit durch das Verteilen der Blätter sei nicht gegeben, weil der § 111 einen öffentlichen, größeren Personenkreis erfordere, so der Richter. Das Verbreiten von Schriften sei auch so nicht gegeben. „Das setzt nämlich voraus, dass ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis angesprochen werden sollte.“
750 Euro Geldstrafe für Hermann Theisen
Ungeschoren davon kam Hermann Theisen allerdings nicht. Denn wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot verurteilte ihn das Gericht zu 750 Euro Geldstrafe. Theisen hatte beim Kreis Siegen-Wittgenstein zwar eine Genehmigung für die Versammlung vor der Erndtebrücker Kaserne erhalten, ausdrücklich nicht aber für das Verteilen der Flyer, die zum Verrat aufforderten. Vor Ort warteten damals Polizei und Staatsschutz auf Hermann Theisen. Der erhielt die Belehrung, dass er seine Versammlung durchführen, aber die Flyer laut Anordnung nicht verteilen dürfe. Kaum gesagt, verließ der erste Soldat in seinem Auto die Kaserne. Hermann Theisen lief auf das Fahrzeug zu und überreichte dem Staatsdiener einen Flyer. Sofort schritten die Beamten ein, erteilten ein Verbot, nahmen die Belehrung vor und Hermann Theisen verließ die Örtlichkeit.


Autor:Holger Weber (Redakteur) aus Wittgenstein |
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