Burbach-Prozess wird fortgesetzt
Zeugenaussage entkräftet

- Auch über eineinhalb Jahre nach Prozessauftakt steckt das Siegener Landgericht noch mitten in der Beweisaufnahme im Prozess zu den Misshandlungen in der Burbacher Erstaufnahmeeinrichtung.
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tile Siegen. Zwei Vorfälle interessierte die 1. große Strafkammer am Siegener Landgericht am Montag im Zusammenhang mit den Misshandlungen und Freiheitsberaubungen in der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung Burbach besonders. Informationen aus erster Hand erhielt das Gericht allerdings kaum; denn wie so häufig sind auch in diesem Fall Zeugen mittlerweile unauffindbar. Und so mussten sich die Verfahrensteilnehmer mit Vernehmungsprotokollen und Aussagen der Polizisten begnügen, die vor rund fünf Jahren die Zeugenbefragungen durchgeführt haben. Nur einer der Beamten war in einen der Vorgänge direkt involviert.
Grundlos geschlagen und getreten
Im September 2014 soll der Zeuge A. von den angeklagten Wachmännern Steven K. und Markus K. – deren Prozesse abgetrennt vom Hauptverfahren verhandelt werden – ohne rechtfertigenden Grund gefesselt, geschlagen und getreten worden sein. Anschließend wurde er in einen Wachcontainer am Eingang des Geländes eingesperrt, wo er auch von dem Security-Mitarbeiter Henning G. geschlagen worden sein soll.
Bewohner forderten lautstark Freilassung
In einer polizeilichen Vernehmung hatte der ehemalige Bewohner ausgesagt, er habe zweimal seinen Kopf gegen die Fensterscheibe des Containers geschlagen, um hilfesuchend die Polizei auf sich aufmerksam zu machen, damit sie ihn rausließe. Zunächst ohne Erfolg. Beim zweiten Mal habe er sich verletzt. Inzwischen hatte sich vor dem Tor und dem provisorischen Pförtnergebäude eine größere Gruppe von Bewohnern eingefunden, um die Freilassung A.s zu fordern.
Polizei löste Ansammlung auf
Eine Anzeige wegen Landfriedensbruchs bestätigt für jene Nacht die beschriebene Gruppenbildung und einen größeren Polizeieinsatz im Bereich der Pforte. Neben A., der später trotz allem als Randalierer mitgenommen wurde, brachten die Beamten weitere „Rädelsführer“ auf die Wache.
Rund eine Woche später wurden wieder drei Streifenwagen auf die Lipper Höhe gerufen. Diesmal soll sich Bewohner Rayan K. nackt ausgezogen und randaliert haben, woraufhin er von mehreren Wachdienstmännern geschlagen und getreten worden sein soll. Zwischen acht und zehn sollen gewesen sein – so viele Wachleute hatten allerdings nie parallel Dienst.
Rasierklinge im Mund versteckt?
In seiner Vernehmung hatte K. angegeben, dass er später auch von einem Polizisten auf der Fahrt zur Wache geschlagen worden sei. Er hatte daraufhin Anzeige erstattet. In der Arrestzelle in Siegen habe er sich dann mit einer Rasierklinge selbst verletzt, die er in seinem Mund versteckt gehalten habe.
Die Glaubwürdigkeit der Aussage des Bewohners, die er vor fünf Jahren gegenüber der Polizei in Bielefeld gemacht hatte, geriet gestern vor dem Landgericht ins Wanken.
Zeuge stark alkoholisiert
Der beschuldigte Polizist saß nun im Zeugenstand, das Verfahren gegen ihn in dieser Sache sei inzwischen eingestellt. K. sei in jener Nacht stark alkoholisiert und aggressiv gewesen, beschrieb der Beamte die damalige Situation. Eine Rasierklinge sei nach der Selbstverletzung im Übrigen nicht gefunden worden. Vielmehr sei man davon ausgegangen, dass sich K. mit dem „Zipper eines Reißverschlusses“ eine alte Verletzung wieder aufgeschnitten und die Wände der Zelle mit Blut beschmiert habe. Alle anderen Vorwürfe gegen ihn, u. a. der gezielte Einsatz von Pfefferspray gegen seine Wunde, seien lediglich „Behauptungen“ K.s gewesen, sagte der Polizist.
Autor:Tim Lehmann (Redakteur) aus Siegen |
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