Patrick Helmes: „Bei mir gibt's immer das volle Paket“
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Der Alcher Patrick Helmes will den "schlafenden Riesen" Alemannia Aachen wachküssen.
© Quelle: imago
ubau Aachen/Alchen. Patrick Helmes steht vor der bislang wohl größten Herausforderung seiner noch jungen Trainerkarriere: Der aus Alchen stammende Ex-Nationalspieler soll den „schlafenden Riesen“ Alemannia Aachen wachküssen und zurück in die Erfolgsspur führen. Eine echte Herkulesaufgabe, an der in jüngeren Vergangenheit zahlreiche Trainer krachend gescheitert sind. In der vergangenen Saison belegte der Ex-Bundesligist und UEFA-Pokal-Teilnehmer von 2004 einen enttäuschenden 14. Platz in der Fußball-Regionalliga West.
Seit 1. Juli schwingt der 37-jährige Ex-Profi des 1. FC Köln, von Bayer 04 Leverkusen und des VfL Wolfsburg offiziell das Zepter am Aachener Tivoli. Mit dem Engagement von Helmes hofft die Alemannia auf bessere Zeiten, sehnen sie doch in der Kaiserstadt die Rückkehr in den Profifußball herbei. Die SZ sprach mit dem Ex-Nationalspieler, der mit seinem neuen Team am Samstag (14 Uhr) auf dem Naturrasenplatz in Elben auf den Westfalenligisten FSV Gerlingen trifft, über seinen neuen Job, seine Philosophie als Trainer und seinen früheren Verein Sportfreunde Siegen.
Seit gut zwei Wochen stehen Sie nun offiziell in Diensten von Alemannia Aachen. Wie sind Ihre ersten Eindrücke? Alemannia Aachen ist ein großer Verein mit einem für Regionalliga-Verhältnisse riesigen Stadion und einer großen Fan-Base. Angesichts der Historie des Vereins sehnen sich die Leute hier nach höherklassigem Fußball, das ist auch nachvollziehbar.
Davon war die Alemannia zuletzt aber weit entfernt... Richtig! Die Mannschaft war Letzter in der Rückrunden-Tabelle. Es sind viele Dinge abseits des Platzes passiert, die nicht in Ordnung waren. Daher war es notwendig, einen Schnitt zu machen, um frischen Wind ins Team hinein zu bekommen.
Sie sprechen es an: Es gab im Sommer einen großen Umbruch. Ja, das war auch die Absicht von Martin Bader (Anm.d.Red.: Geschäftsführer und Sportlicher Leiter) und mir. Wir haben nun viele Jungs mit großem Potenzial im Kader. Sie geben bislang richtig Gas und gehen an ihre Grenzen. Aber wir benötigen für die Entwicklung auch Zeit. Es geht nicht von heute auf morgen. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir einen guten Weg einschlagen werden.
Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Aufgabe? Dass wir es schaffen, wieder an bessere Zeiten anzuknüpfen. Dazu will ich meinen Teil beitragen. Hier schlummert einiges. Meine Aufgabe ist, das zu neuem Leben zu erwecken – und darauf habe ich großen Bock.
Welches Saisonziel halten Sie für realistisch? Wir wollen und werden den ein oder anderen Großen ärgern. Wir haben eine super interessante Mannschaft, deren Entwicklung ich vorantreiben möchte. Wichtig ist mir, dass der Fokus hier wieder auf dem Fußball liegt und nicht auf irgendwelchen Nebenkriegsschauplätzen. Wenn uns das gelingt, sind wir schon ein großes Stück weiter.
Als Spieler waren Sie ein exzellenter Torjäger. Wofür steht der Trainer Patrick Helmes? Für schnelles Umschaltspiel, aggressives Gegenpressing, Leidenschaft auf dem Platz. Aber auch für Dinge wie Disziplin und Respekt – dafür stehe ich ein, und das erwarte ich auch von meinen Spielern. Ich war als Spieler ziemlich geradlinig und als Trainer auch. Wichtig ist mir, dass die Spieler verinnerlichen, dass sie an ihre Grenzen gehen müssen – und das nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich. Ich war schon immer besessen davon, Erfolg zu haben. Nur derjenige, der viel investiert, erreicht auch viel.
Sie hatten in Ihrer Karriere viele namhafte Trainer. Wer hat Sie am meisten geprägt? Das ist schwer zu sagen. Ich hatte das große Glück, unter Jogi Löw und Hansi Flick in der Nationalmannschaft spielen zu dürfen und im Verein unter Christoph Daum, Bruno Labbadia, Dieter Hecking, Jupp Heynckes, Felix Magath, Uwe Rapolder oder Peter Stöger trainieren zu dürfen. Von jedem habe ich Dinge mitgenommen und aufgesaugt. Spannend ist es nun, diese Puzzleteile zusammen zu legen und dann seinen eigenen Weg zu finden.
Der Job bei der Alemannia ist Ihr erster als Trainer einer ersten Mannschaft. Wie unterscheidet sich das von Ihren bisherigen Engagements? Ich wollte von vorneherein einen gewissen Weg gehen. Angefangen habe ich als Co-Trainer der U 21 des 1. FC Köln, dann war ich Chefcoach dieses Teams, bis es zu dem tragischen Unfall kam, als mein damaliger Co-Trainer Uwe Fecht in Folge eines Herzinfarkts verstarb. Das hat mich ein bisschen aus der Bahn geworfen. Danach habe ich bei Bayer Leverkusen in den Jugendbereich reingeschnuppert, aber schnell gemerkt, dass das nicht so sehr mein Fall ist und ich meine Zukunft im Herrenbereich sehe. Dann kam der Abstecher nach Österreich zu Admira Wacker Mödling 2. Das war ebenfalls eine wichtige Erfahrung für mich. Und nun war ich so weit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich habe viel gelernt und verstehe gewisse Zusammenhänge. Ich sehe die Aufgabe bei der Alemannia als eine riesige Herausforderung. Von der Art und Weise, wie ich eine Mannschaft führe, unterscheidet sie sich aber nicht von meinen bisherigen Stationen. Ich gebe immer 100 Prozent. Bei mir gibt's immer das komplette Paket – unabhängig von der Spielklasse, dem Land oder dem Alter der Spieler. Anders als bei meinen vorherigen Klubs ist nun, dass ich aus dem Vollen schöpfen kann. Als Trainer einer zweiten Mannschaft muss man sich immer unterordnen.
Kommen wir zum Schluss noch auf Ihren ehemaligen Verein Sportfreunde Siegen zu sprechen: Wie beurteilen Sie aus der Ferne die Entwicklung? Es ist schade, dass sie in der Oberliga festhängen. Ich habe als Spieler tolle Zeiten bei den Sportfreunden erlebt. Da waren freitagabends 7000, 8000 Zuschauer im Stadion, da hat die ganze Region mitgefiebert. Und jetzt freuen sie sich auf die Derbys gegen Kaan und Erndtebrück. Es würde mich freuen, wenn die Sportfreunde bald wieder höherklassig spielen, denn mit dem Leimbachstadion, ihren Fans und ihrer Tradition sind und bleiben sie auch für immer die Nummer eins im Siegerland. Wenn man an einem Strang ziehen würde, könnte man eine große Wucht entfachen. Das haben aber leider viele in der Region noch nicht begriffen.