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GESUNDHEITS KOMPASS

Das Kreuz mit dem Kreuz

Das Kreuz mit dem Kreuz

Ob durch eine Verspannung, eine Blockade oder Verschleiß: Rückenschmerzen können diverse Gründe haben

Ein Großteil der Menschen leidet mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen. Die Entwicklung vom Vierbeiner zum Zweibeiner und der damit verbundene aufrechte Gang wird immer wieder als führender Grund schmerzhafter Rückenprobleme diskutiert. Das ist sicher eine vereinfachte Sichtweise. Einige evolutionsbiologische Aspekte werden dabei außer Acht gelassen. Dennoch steht fest, dass keine Spezies so viele Rückenprobleme hat wie der Mensch: Die senkrechte Belastung spielt offensichtlich eine erhebliche Rolle.

Das "Organ" Wirbelsäule

Es sind bei weitem nicht immer die Nerven und Bandscheiben, die den Schmerz verursachen. Die Wirbelsäule ist ein ganzes Organ, das heißt, ein eigenständig funktionierendes Konstrukt aus verschiedenen Geweben. Neben den Nerven, die anfällig für Druck durch die geschädigten Bandscheiben sind, gibt es einerseits den knöchernen Apparat und andererseits die Muskulatur. Oft sind es die kleinen Facettengelenke, die schmerzhaft sind. Sie verbinden paarweise jeden Wirbel nach oben und unten und werden ständig strapaziert. Sind sie gereizt, entsteht eine Art Entzündungsreaktion im Gelenkspalt und es kommt zu Rückenschmerz, der auch mal einen Schmerz durch einen Bandscheibenvorfall vortäuschen kann.

Auch das Iliosakralgelenk, das Wirbelsäule und Beckenring miteinander verbindet, ist regelmäßig einer Überbelastung ausgesetzt und kann zu Schmerzen in Leiste und Gesäß führen. Die Muskelstränge verlaufen in der Tiefe an und neben der Wirbelsäule. Sie können unter falscher Beanspruchung oder einem Belastungs-Ungleichgewicht ebenfalls extrem schmerzhaft reagieren. Man kann die Muskelfasern mit den Paddeln in einem Ruder-Achter vergleichen: Arbeitet eine asynchron, gerät das ganze System durcheinander. Dies mündet in Verspannungen und Verhärtungen, die sich manchmal dann als Knoten tasten lassen. Man spricht dann von sogenannten Myogelosen.

,,Zahnschmerz im Arm oder Bein"

In der Sprechstunde wird zunächst anhand der Symptomatik und der radiologischen Bilder evaluiert, welche Struktur für den Rückenschmerz verantwortlich ist. Sind tatsächlich Nerven durch einen Bandscheibenvorfall oder eine knöcherne Engstelle eingeengt, besteht klassischerweise ein ausstrahlender Schmerz - je nach Lokalisation bis in die Extremitäten. Mediziner sprechen manchmal manchmal auch vom Zahnschmerz im Arm oder Bein", da sich der Charakter des Nervenschmerzes ähnelt. In solchen Fällen kann eine Operation wirklich helfen. Dabei wird in der Regel die einengende Struktur beseitigt, sodass die Nervenverläufe frei sind. Auch wenn wirklich manifeste sensible oder motorische Ausfälle festgestellt werden, ist ein operatives Vorgehen indiziert. Ist die Wirbelsäule im betroffenen Bereich knöchern massiv verändert, sodass zum Beispiel gleichzeitig ein Wirbelgleiten besteht, muss zusätzlich eine operative Stabilisierung mit einem Schrauben-Stab-System in Betracht gezogen werden.

Auch nach einer Operation an der Wirbelsäule können noch Rückenschmerzen bestehen, wenn die Nervenreizung selbst abgeklungen ist. Vollständige Rückenschmerzfreiheit ist ein heroisches Ziel, das – um ehrlich zu sein – nicht immer erreicht werden kann. Dennoch gibt es mehrere Ansätze, um den Beschwerden gezielt entgegenzuwirken. Zum einen: Schonen ist Gift. Das gilt für jedes Alter. Ein sehr gezieltes und regelmäßiges Training der Rückenmuskulatur ist notwendig, um der Verkümmerung von Muskelgruppen entgegenzuwirken und Fehlhaltungen im Ansatz auszugleichen. Dafür eignen sich Übungen aus der Medizinischen Trainingstherapie, die mit oder ohne Geräte stattfinden können. Trainiert werden sollten der breite Rückenstrecker, die Gesäßmuskulatur und die schräge Bauchmuskulatur. Vor allem bei der Nackenmuskulatur müssen bestimmte Methoden erlernt werden, um diese bewusst anzusteuern und auch zu entspannen. Zehn Minuten am Tag als aktive Trainingszeit sind ein guter Anfang. Klassisches Beispiel für eine Fehlhaltung ist auch der häufige Rundrücken, der durch viel sitzende Tätigkeit und eine insgesamt deutliche Mehrbelastung der vorderen Rumpfmuskeln bei gleichzeitig zu wenig Training der Rückenmuskulatur entsteht. Besondere Stretching-, Dehn- und Haltungsübungen sollten hier als Selbstverständlichkeit in den Alltag eingebaut werden. Wer mehr machen möchte, kann sich über geeignete Sportarten gegen den Rundrücken, wie etwa Schwimmen, Yoga und Pilates, beraten lassen. Nicht zuletzt hilft Gerätetraining auch bei der Verbesserung der Knochenstruktur und hat damit einen nicht unerheblichen Stellenwert in der Vorbeugung und auch Verlangsamung der Osteoporose.

Bis in den Schmerz hineingehen

Die in Mode gekommene Faszienrolle und Anwendungen zur Mobilisation der Wirbelsäule haben additiv zu allen Arten von Training einen guten Effekt, da sie zusätzlich das Bindegewebe lockern und Blockaden an den Gelenken lösen. An dieser Stelle können erfahrende Physiotherapeuten unterstützen. Und es gilt auch: Bis in den Schmerz hineingehen.

Eine weitere Methode ist das kinesiologische Taping. Die aus dem Leistungssport in Japan und Korea stammenden „bunten Pflaster“ sind mittlerweile ein etablierter Baustein in der Schmerztherapie. Sie werden nach bestimmten Prinzipien und unter Berücksichtigung von Muskelsehnenverläufen und Schmerzpunkten aufgeklebt und wirken vermutlich über eine Aktivierung von Rezeptoren an der Haut, die als angenehm und schmerzlindernd empfunden wird. Auch thermische Anwendungen sind eine gute Ergänzung. Gegen muskuläre Verspannungen wird von vielen Betroffenen lokale Wärme als lindernd empfunden. Diese kann in Form von Bädern, Schlammpackungen, Wärmepflastern oder Kirschkernsäckchen appliziert werden. Im Fall akuter Reizzustände präferieren manche Patienten aber auch kühlende Maßnahmen.

Die Therapie am Rücken endet also nicht mit einer Operation. Die Sprechstunde am Diakonie Klinikum Jung-Stilling bietet den Patienten – angepasst an ihre Beschwerden und ihr Krankheitsbild – neben der Beratung zu sämtlichen Eingriffen auch die weiterführenden Möglichkeiten an. Eine Operation ist immer nur ein kleiner, bestenfalls symptomlindernder Baustein, ersetzt aber nie den ganzheitlichen Blick auf die Wirbelsäule. Das Ganze geschieht unter neurochirurgischer und sportmedizinischer Expertise.

PROF. DR. VEIT BRAUN

Chefarzt Klinik für Neurochirurgie, Diakonie Klinikum Jung-Stilling Siegen

Email: web.neurochirurgie@diakonie-sw.de
Telefon: 0271/333 4221


DR. ANNE ELISABETH CAROLUS

Oberärztin Klinik für Neurochirurgie, Diakonie Klinikum Jung-Stilling Siegen

Email: web.neurochirurgie@diakonie-sw.de
Telefon: 0271/333 4221