Abgasnorm Euro 7: die letzte Schlacht um den Verbrenner
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Die Autoindustrie warnt vor Massenentlassungen.
© Quelle: Owen Humphreys/PA Wire/dpa
In der Autoindustrie formiert sich der Widerstand gegen die Pläne zur neuen Abgasnorm Euro 7. Die Branche hätte das Thema am liebsten abgehakt, denn der Abschied vom Verbrennungsmotor ist in Europa für 2035 ohnehin faktisch besiegelt. Doch spätestens seit Veröffentlichung der neuen EU-Abgasziele im vergangenen November ist klar, dass auch der klassische Antrieb noch einmal modernisiert werden muss. Die Hersteller, ihre Verbände und mehrere Politiker warnen vor Fehlinvestitionen, Arbeitsplatzverlusten und dem Ende des bezahlbaren Kleinwagens.
Bis zu 300.000 Arbeitsplätze stünden europaweit auf dem Spiel, warnt der Präsident des europäischen Herstellerverbands Acea, Renault-Chef Luca de Meo, in einem offenen Brief. Allein in seinem Unternehmen könnten die Euro-7-Pläne demnach zur Schließung von vier Fabriken führen. „Der Euro-7-Vorschlag würde die Fahrzeughersteller zwingen, Milliarden von Euro in Motoren und Abgasbehandlung zu investieren, mit minimalen Vorteilen für die Umwelt“, schreibt de Meo.
Bei Euro 7 geht es nicht um CO₂
Ähnlich hatten sich am Wochenende die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern geäußert. In einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordern Stephan Weil (SPD), Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU) die Ablehnung der EU-Pläne in ihrer aktuellen Form. Die Aktivitäten kommen nicht von ungefähr: Die Frist für Stellungnahmen zum neuen Gesetz läuft in dieser Woche ab.
Auch danach bleibt der Zeitdruck hoch, denn die EU-Kommission will die neuen Regeln für Pkw bereits 2025 und für schwere Lkw 2027 in Kraft setzen. Dann allerdings gehen die Verbrenner in Europa bereits in ihre letzte Runde: Mit dem Klimaprogramm „Fit for 55″ hat die EU bereits festgelegt, dass ab 2035 keine Autos mit Benzin- oder Dieselmotor neu auf die Straßen kommen sollen. Bei Euro 7 geht es dagegen nicht um Klima und CO₂-Ausstoß, sondern um Emissionen, die schädlich für Menschen sind – Stickoxid zum Beispiel.
Streit um die Testbedingungen
Der Streit dreht sich nicht so sehr um die Grenzwerte, sondern vor allem um die Art, wie sie gemessen werden sollen. Nach dem EU-Plan sind die Werte künftig unter allen Bedingungen einzuhalten – Betonung auf „allen“. Kontrolliert würde das durch die Systeme im Auto. Die Industrie hält das für utopisch: Beim Ziehen eines Anhängers bergauf könne ein Auto nicht die gleichen Abgaswerte haben wie beim Rollen in der Ebene.
Außerdem sollen bei Euro 7 weitere Schadstoffe einbezogen werden, zum Beispiel Ammoniak. Und es geht um weitere Emissionsquellen: Auch für Bremsabrieb, eine der wesentlichen Ursachen von Feinstaubbelastung, soll es Grenzwerte geben.
Die Branche beklagt, dass die Technik vor allem für Lkw nicht so schnell zu entwickeln sei und vor allem kleinere Autos extrem teuer mache. Bosch-Chef Stefan Hartung wurde jüngst von der „FAZ“ mit dem Satz zitiert: „Wenn in den Lkw-Normen ein Sensor vorgeschrieben wird, den es gar nicht gibt, dann ist das für uns komisch.“ Die geplante Regulierung sei grundsätzlich richtig, es gehe darum, sie „vernünftig zu machen“. „Wir teilen die Einschätzung, dass Euro 7 in der jetzt vorliegenden Form negative Beschäftigungseffekte für die europäische Automobilindustrie hätte“, heißt es bei VW.
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Verbrenner bald teurer als E-Autos?
Die Deutsche Umwelthilfe dagegen wirft den Herstellern Blockade vor und sieht die Ministerpräsidenten „im Würgegriff der Autoindustrie“. Die Technik für die Einhaltung der Vorschriften sei verfügbar, der Einbau koste nur 300 Euro pro Fahrzeug. „Selbst wenn der Verbrennerausstieg ab 2035 kommt, sind bis dahin noch rund 100 Millionen Pkw und zusätzliche Lkw auf Europas Straßen unterwegs – und zwar durchschnittlich für mindestens 15 weitere Jahre“, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
Auch die EU-Kommission beziffert die Zusatzkosten auf wenige Hundert Euro pro Pkw und 2700 Euro für Nutzfahrzeuge und Busse. Die Rechnung der Industrie sieht dagegen völlig anders aus, sie sagt vor allem bei Kleinwagen einen Preissprung voraus. Opel-Chef Florian Huettl sagte dem Magazin „Auto Motor und Sport“, dass vor allem im Einstiegsbereich Motoren gestrichen werden könnten. Anpassungen der Verbrenner an Euro 7 wären „unnötige Investments“, die Entwicklungen in der Elektromobilität bremsten.
VW-Markenchef Thomas Schäfer hat bereits Preiserhöhungen um einige Tausend Euro angedeutet: Das günstigste Elektroauto des Konzerns soll in einigen Jahren für weniger als 25.000 Euro zu haben sein – und werde damit möglicherweise weniger kosten als der günstigste Verbrenner. Aktuell steht der billigste VW Up mit 14.555 Euro in der Preisliste, der Polo beginnt bei knapp 20.000 Euro. Ob diese Modelle noch konventionell angetriebene Nachfolger bekommen, ist unsicher – das hänge extrem von den Details der Euro-7-Regulierung ab, heißt es im Konzern.