Warum steht die Schweizer Bank Credit Suisse kurz vor dem Zusammenbruch?
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Der Sitz der Schweizer Großbank Credit Suisse im Hochhaus Hagenholzstrasse in Zürich-Oerlikon.
© Quelle: IMAGO/Andreas Haas
Zürich. Der drohende Zusammenbruch der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse (CS) ist ein gewaltiges Beben in der Bankenszene. In den europäischen Hauptstädten und in den USA rangen Krisenstäbe um Notfall-Lösungen, um einen Flächenbrand abzuwenden. Seit Sonntagabend ist klar: UBS übernimmt die angeschlagene CS. Während bei der 2007 begonnenen Finanzkrise Banken plötzlich auf wertlosen Ramschhypotheken saßen und vielen das Geld knapp wurde, geht es heute vor allem um Psychologie: Vertrauen von Kunden und Anlegern.
Warum taumelt die Credit Suisse?
Die altehrwürdige Bank, Jahrgang 1856, hat sich mit jahrelangem Missmanagement und Risikogeschäften selbst ins Abseits manövriert. Da war die bulgarische Mafia, die 2004 bis 2007 laut Staatsanwaltschaft ungestört Geldwäsche über CS-Konten abwickelte. Da waren 2013 die windigen Geschäfte einer britischen CS-Tochter in Mosambik, wo bei Krediten an Staatsfirmen Millionen verschwanden. Dann gab es zwischen 2016 und 2019 die Bespitzelung eigener Kaderleute, von denen einer in Gangstermanier auf den Straßen Zürichs verfolgt wurde. Und die Bank war jüngst bei den Risikogeschäften des Hedgefonds Archegos und der Greensill-Fonds dabei und verlor bei deren Zusammenbruch Millionen. Das Vertrauen in die CS war also schon gesunken, der Zusammenbruch jüngst der Silicon Valley Bank und die Angst vor einer möglichen weltweiten Bankenkrise hat sie tiefer in den Abwärtsstrudel gerissen.
Credit Suisse leiht sich bis zu 50 Milliarden Franken bei Schweizer Nationalbank
Bankchef Ulrich Körner sagte, dass man mit diesen Maßnahmen die Credit Suisse stärken wolle im Rahmen des strategischen Wandels.
© Quelle: Reuters
Warum hat das Management der Schweizer Bank versagt?
Abzocker-Mentalität in den Teppich-Etagen der Bank macht der „Tages-Anzeiger“ als einen Grund aus. Die Zeitung hat aus den Geschäftsberichten errechnet, dass die Bank seit 2013 zwar kumuliert 3,2 Milliarden Franken Verlust machte, die Top-Manager aber im selben Zeitraum 32 Milliarden Franken (32,2 Milliarden Euro) an Boni einsteckten.
Hätten Behörden nicht früher intervenieren müssen?
Für den Banken-Branchendienst Inside Paradeplatz haben die Schweizer Nationalbank, die Finanzaufsicht und die Regierung versagt. Sie hätten der Bank spätestens seit Herbst, als Zweifel an einer Zukunft der Credit Suisse lauter wurden, kritische Fragen stellen müssen, schrieb der Herausgeber Lukas Hässig am Sonntag. Dann hätte das Ruder noch herumgerissen werden können. Das passierte nicht. „Auf der Brücke der Helvetia hat in den letzten Jahren ein Panik-Orchester das Kommando übernommen“, schrieb Hässig. „Dieses schaute monatelang tatenlos zu, wie die CS-Titanic mit voller Fahrt auf den Eisberg zuraste.“ Helvetia ist die lateinische Bezeichnung der Schweiz.
Wie wichtig ist die Schweizer Bank Credit Suisse?
Sie gehört - wie die Deutsche Bank - zu den 30 systemrelevanten Banken der Welt. Diese Einordnung stammt vom internationalen Finanzstabilitätsrat (Financial Stability Board - FSB), der das internationale Finanzsystem überwacht. Diese Banken sind international vernetzt, weshalb ihr Scheitern andere mitreißen könnte - sie sind „too big to fail“ (engl. „zu groß zum Scheitern“). Sie unterliegen besonderen Sicherheitsauflagen. Die CS ist kleiner als ihr Schweizer Rivale, die UBS. Die Bilanzsumme der UBS ist mit umgerechnet rund einer Billion Euro etwas kleiner als die der Deutschen Bank, aber fast doppelt so groß wie die der CS. Der CS-Börsenwert sackte innerhalb eines Jahres um zwei Drittel auf gut 7,4 Milliarden Euro ab, der der UBS ist fast acht mal größer.
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Wie läuft die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS?
Die UBS übernimmt die Credit Suisse für drei Milliarden Franken (gut drei Milliarden Euro). Die Übernahme ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren. Mit dem Deal wird die UBS ein Mammutinstitut, das größer sein wird als die Deutsche Bank. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Milliarden Euro) an beide Banken. Um Risiken für die UBS zu reduzieren, spreche der Bund der UBS zudem eine Garantie im Umfang von neun Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus, hieß es. Mit den Maßnahmen werde sichergestellt, dass die SNB der Credit Suisse im Bedarfsfall umfassend Liquidität bereitstellen könne. Durch den Zusammenschluss soll laut UBS ein Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von mehr als fünf Billionen US-Dollar entstehen.
Wie reagieren Branchenvertreter auf die Übernahme?
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, betonte, die Maßnahmen seien „entscheidend für die Wiederherstellung geordneter Marktbedingungen und die Gewährleistung der Finanzstabilität“. Der Bankensektor im Euroraum sei widerstandsfähig und verfüge über eine starke Kapital- und Liquiditätsausstattung. Der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, und US-Finanzministerin Janet Yellen sprachen von einem Schritt zur Stützung der Finanzstabilität. Auch die Bank of England begrüßte das „umfassende Maßnahmenpaket, das die Schweizer Behörden zur Unterstützung der Finanzstabilität vorgestellt haben“. Das britische Bankensystem sei gut kapitalisiert und finanziert und bleibe sicher und solide.
Die Schweizer Finanzministerin Keller-Suter sagte, der Bund habe die Garantie von neun Milliarden Franken gegeben, um Risiken der Credit Suisse abzufangen. „Die Steuerzahler haben nur geringes Risiko“ - jedes andere Szenario hätte mehr Kosten verursacht. Man habe einen privaten Partner und eine solide Bank, die die Credit Suisse übernehme. Es handele sich nicht um eine staatliche Rettung, betonte die Ministerin. Der Bund habe lediglich eine Garantie übernommen.
Wie reagieren der Euro und internationale Börsen auf die Credit-Suisse-Übernahme?
Der Euro reagierte am Montag zunächst kaum auf die Übernahme. Am Montagmorgen kostete die Gemeinschaftswährung 1,0660 US-Dollar und damit in etwa so viel wie vor dem Wochenende. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitagnachmittag noch etwas tiefer auf 1,0623 Dollar festgesetzt.
Die Rettung wurde weltweit von Notenbanken mit Erleichterung aufgenommen. Darüber hinaus erhöhten sechs Zentralbanken, darunter die US-Notenbank Fed und die EZB, die Schlagzahl in der Versorgung des Finanzsystems mit der Weltreservewährung US-Dollar. Die Versorgung ist insbesondere für das internationale Geschäft großer Geldhäuser wichtig, erst recht in unruhigen Zeiten. Konjunkturdaten stehen zu Wochenbeginn nur wenige auf dem Programm. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Reaktion der Finanzmärkte auf die Schweizer Bankenübernahme und der weiteren Entwicklung im zuletzt ebenfalls turbulenten US-Bankensektor.
Die wichtigsten asiatischen Börsen gaben am Montag überwiegend nach. Die Übernahme und Maßnahmen mehrerer Notenbanken zur Liquiditätsversorgung des Finanzsystems konnten gegen die Ängste vor einer möglichen Bankenkrise nur wenig ausrichten. Allerdings hielten sich die Verluste in Grenzen, nachdem es bereits in der vergangenen Woche deutlich bergab gegangen war.
Der japanische Nikkei 225 schloss am Montag 1,42 Prozent tiefer bei 26.945,67 Punkten. Ähnlich sah es beim australischen S&P ASX 200 aus, der sich 1,38 Prozent im Minus mit 6898,50 Punkten aus dem Handel verabschiedete. Für den Hang-Seng-Index der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong, wo auch ausländische Anleger handeln dürfen, ging es zuletzt sogar um 3,37 Prozent auf 18.861,23 Punkte bergab. Die Stimmung für die Banken bleit weiterhin angeschlagen: Die in Hongkong notierten Aktien der Bank HSBC büßten über 6,5 Prozent ein.
Vergleichsweise gut behauptete sich indes der CSI-300-Index mit den 300 wichtigsten Werten der Handelsplätze Shanghai und Shenzhen, der schon zuletzt weniger als die anderen Indizes verloren hatte. Er gab lediglich um 0,50 Prozent auf 3938,89 Zähler nach. Das Börsenbarometer profitierte davon, dass die chinesische Notenbank am Freitag überraschend den Mindestreservesatz für heimische Banken gesenkt hatte.
Wann gab es zuletzt eine weltweite Finanzkrise?
Die nahm im Sommer 2007 ihren Lauf. Im spekulativ aufgeblähten US-Immobilienmarkt stiegen die Zinsen für Interbankfinanzkredite sprunghaft, als klar wurde, dass Hypotheken für wenig solvente Kunden massenweise platzen würden. Die Banken vertrauten sich gegenseitig nicht mehr. In der Folge brach am 15. September 2008 die amerikanische Großbank Lehman Brothers zusammen. Die nachfolgende Krise breitete sich weltweit aus, zahlreiche Bankhäuser mussten mit Milliardenkrediten gestützt werden.
Ist die Welt besser vorbereitet als in der letzten Finanzkrise?
Um die Branche krisenfester zu machen, wurden die Regularien verschärft. So müssen Banken inzwischen deutlich mehr Eigenkapital vorweisen, mit dem sie in Krisen Verluste abpuffern können. Zudem werden seit 2016 in Europa im Fall der Schieflage eines Instituts zunächst Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten. Erst als letztes Mittel geht es an Einlagen von Sparern sowie Gelder aus einem von den Banken finanzierten Krisenfonds (Single Resolution Fund). Darin waren zuletzt rund 66 Milliarden Euro.
Wie sind die Ersparnisse bei Banken und Sparkassen abgesichert?
Die Spareinlagen von Kunden sind in Deutschland im Fall einer Bankenpleite bis zu 100.000 Euro pro Person gesetzlich geschützt. Darüber hinaus sichern fast alle Kreditinstitute weit über das gesetzliche Maß hinaus Kundengelder freiwillig ab. Bei privaten Banken sind nach Angaben des Bundesverbands deutscher Banken in der Regel je Kunde mindestens 750.000 Euro Einlage pro Bank geschützt. Bei vielen Instituten liegen die Sicherungsgrenzen noch höher. Ähnlich ist es bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
RND/dpa