Die Börse giert nach guten Nachrichten
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Die Börsenbullen wagen sich wieder vor.
© Quelle: Frank Rumpenhorst/dpa/Symbolbild
Es schien eine ruhige Woche zu werden. Aber darauf sollte man sich an der Börse nie verlassen, und schon gar nicht vor Donnerstag, 14.30 Uhr. Da kommen gern mal die wichtigeren volkswirtschaftlichen Daten aus den USA – in dieser Woche die Inflation. Sie fiel niedriger aus als erwartet, schürte die Hoffnung auf einen langsameren Zinsanstieg und machte den Donnerstag zum besten Börsentag seit Langem. Um 14.30 Uhr wird aus der Dax-Kurve eine senkrechte Linie, die von 13.690 zu 14.035 Punkten führt.
2,5 Prozent Gewinn innerhalb weniger Minuten sind schon nicht schlecht, aber leicht gebremst ging es dann noch weiter bis über 14.200 Punkte, und dort konnte sich der Index am Freitag auch halten. Wer sich nicht sattsehen kann, mag sich der Nasdaq widmen: Der US-Index der Technologiewerte sprang in gleicher Manier um 7,5 Prozent.
Apple wird an einem Tag um 191 Milliarden wertvoller
Die Zahl klingt so harmlos, aber wagen wir uns mal an die Dimensionen: Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt, war Donnerstagfrüh an der Börse 2,15 Billionen Dollar wert. Als die Sonne ein paar Stunden später unterging, waren 9 Prozent hinzugekommen, was schlanken 191 Milliarden Dollar Zuwachs entspricht – oder dem Wert von Siemens und Deutscher Telekom zusammengenommen. Man muss allerdings dazusagen, dass der iPhone-Konzern vorletzte Woche auch nur drei Tage gebraucht hatte, um diesen Wert an der Börse zu verlieren. Der Kurs ist jetzt wieder da, wo er am 2. November war.
Shortseller wurden wohl auf dem falschen Fuß erwischt
Das Ausmaß der Markterholung dürfte nicht zuletzt Shortsellern zu verdanken sein, die auf Marktschwäche gewettet hatten. Tritt sie nicht ein, stellen sie ihre Geschäfte glatt, bevor es richtig teuer wird – und treiben mit ihren Aktienkäufen die Kurse unfreiwillig noch stärker nach oben. So wird aus einem kleinen Anstieg ein großer.
Trotzdem verfehlten die Kurssprünge vom Donnerstag auch bei Hartgesottenen nicht ihre Wirkung. Ist das nun die x-te Bärenmarktrallye, die doch nur in den nächsten Abschwung mündet? Oder gibt es Gründe, jetzt schon auf die Trendwende zu setzen? Formal jedenfalls darf man gerade von einem Bullenmarkt sprechen. Dafür muss der Dax vom Tiefpunkt des jüngsten Abschwungs um mindestens 20 Prozent gestiegen sein, und das hat er gerade knapp geschafft.
Der März hat eine schlechte Tradition
Trotzdem bleiben die Prognosen gedämpft. Andreas Hürkamp von der Commerzbank etwa philosophiert darüber, dass in früheren Rezessionen – 2003, 2009 und 2020 – der März der schwächste Börsenmonat gewesen sei. Aktuell werden die Kurse vor allem von der Hoffnung auf einen langsameren Zinsanstieg getrieben. Im nächsten Frühjahr könnten tatsächlich die schlechteren Unternehmensnachrichten die Diskussion bestimmen. Aber die Börsenbullen wollen die Zeit bis dahin offenbar nutzen.
Stefan Winter ist leitender Wirtschaftsredakteur des RND. Er schreibt hier wöchentlich über Börse, Finanzmarkt, Aufstieg und Fall der Kurse – und über die Unternehmen dahinter.