Langsam dreht der Wind der Inflation – endgültige Trendwende im Frühjahr?
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Billigeres Heizöl hat die Inflation im Dezember gebremst.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa-tmn
Der Preisanstieg hat sich im Dezember etwas abgeschwächt. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts lag die Inflation bei 8,6 Prozent – im November waren es 10 Prozent gewesen. Das ändert allerdings nichts daran, dass das vergangene Jahr die stärkste Teuerung seit den Fünfzigerjahren brachte. Im Jahresdurchschnitt lag die Inflation bei 7,9 Prozent. „Der Geldbeutel der Verbraucher blieb auch zum Jahresende 2022 arg strapaziert“, sagt Michael Heise, Chefökonom beim Vermögensverwalter HQ Trust. „Aber immerhin ist die Inflationsrate wieder deutlich in den einstelligen Bereich gefallen.“
Die Regierung drückt den Gaspreis
Die Wende zum Jahresende ist vor allem niedrigeren Energiepreisen zu verdanken. So waren Heizöl und Treibstoffe im Dezember rund 10 Prozent billiger als im November, weil der Preis für Rohöl deutlich gefallen ist. Außerdem wirkte sich der erste Teil der staatlichen Gaspreisbremse aus: Immobilienbesitzerinnen und ‑besitzer mussten im Dezember keinen Abschlag an ihre Energieversorger überweisen. Weil die Statistiker die Lebenshaltungskosten messen – also die Preise, die von Konsumentinnen und Konsumenten bezahlt werden –, wurde ein großer Teil des Gasverbrauchs für einen Monat quasi zum Nulltarif erfasst.
Damit ist es im Januar allerdings wieder vorbei. Dann gilt nicht mehr der Nulltarif, sondern ein reduzierter Preis für den größten Teil des Gasverbrauchs. Deshalb rechnet zum Beispiel Christoph Swonke von der DZ Bank damit, dass die Inflation im Januar und Februar noch einmal etwas zulegen wird. Erst ab März wird es nach seiner Einschätzung nachhaltig abwärtsgehen.
Trendwende erst im Frühjahr
Eine Entspannung erwarten die meisten Expertinnen und Experten im Frühjahr. Dafür sollte allein schon der sogenannte Basiseffekt sorgen: Der heftige Preisanstieg bei Gas und Öl begann 2022 im März, ein Jahr später werden die Preise dann mit den höheren Ausgangswerten verglichen. Damit wird das Inflationsproblem aber nicht erledigt sein. „Insgesamt bleibt die Inflationsrate viel zu hoch“, sagt etwa Ulrike Kastens, Volkswirtin bei der Fondsgesellschaft DWS.
Sie rechnet damit, dass die Inflation auch im Sommer noch über 5 Prozent liegen wird. Viele Prognosen sehen den Wert zum Jahresende dann bei rund 3 Prozent. Im Jahresdurchschnitt erwartet zum Beispiel die Bundes–bank mehr als 7 Prozent und damit kaum weniger als im vergangenen Jahr. Die EZB strebt allerdings 2 Prozent an, und so kommt Friedrich Heinemann vom ZEW‑Institut zu dem Schluss: „Eine Rückkehr zur Preisstabilität bleibt trotzdem für dieses Jahr unmöglich.“
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Das bewerten die Ökonomen allerdings sehr unterschiedlich. Die optimistische Sicht vertritt Sebastian Dullien: „Mit dem deutlichen Rückgang dürfte nun die Kehrtwende bei der Inflation geschafft sein“, sagt der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Neben der Energie werden nach seiner Einschätzung auch die Lebensmittel bald billiger.
Kaum Entspannung bei Lebensmitteln
Davon war im Dezember noch wenig zu spüren. Gegenüber November waren Lebensmittel zwar ein wenig günstiger, aber am rapiden Anstieg der Monate davor ändert das nichts. So sind Nahrungsmittel auch weiterhin gut 20 Prozent teurer als vor einem Jahr. Weit über dem Durchschnitt lag die Teuerung im Dezember zum Beispiel bei Mehl und Zucker. Dullien verweist aber darauf, dass die Preise auf dem Weltmarkt und im Großhandel bereits gefallen seien. Teurer wurden auch Dienstleistungen – unter anderem wegen deutlich gestiegener Preise für Pauschalreisen.
So bleibt ZEW‑Experte Heinemann skeptisch: Die Inflation habe fast alle Güter und Dienstleistungen erfasst, „und Instrumente wie die Gaspreisbremse lindern letztlich nur Symptome“. Auch Christoph Swonke von der DZ Bank sieht das Problem noch lange nicht gelöst: „Das Inflationsniveau bleibt 2023 meilenweit vom EZB‑Ziel entfernt.“
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EZB bleibt unter Zugzwang
Die Europäische Zentralbank hat noch einige Wochen Zeit, sich ihre Reaktion zu überlegen. Der EZB-Rat hat seine nächste Sitzung Anfang Februar und wird dann nahezu sicher die Leizinsen ein weiteres Mal erhöhen. Über das Ausmaß und vor allem den Ausblick auf die nächsten Monate wird bis dahin noch viel spekuliert werden. Nachdem die Notenbank zu spät mit der Inflationsbekämpfung begonnen hat, steht sie nun unter dem Druck, ihre Entschlossenheit zu beweisen. Strafft sie die Geldpolitik zu stark, kann sie damit allerdings eine Rezession auslösen oder verschärfen.
Der jüngste Rückgang der Inflation sei jedenfalls „kein Signal der Entwarnung für die Geldpolitik der EZB“, sagt HQ‑Trust-Experte Heise. „Die EZB wird auf Straffungskurs bleiben und dürfte auf den beiden kommenden Sitzungen die Leitzinsen um jeweils 50 Basispunkte erhöhen“, schreibt Christian Lips, Chefvolkswirt der Nord/LB, in einer Analyse.