Streit um Schulden­obergrenze

Den USA droht der Zahlungs­ausfall: Was passiert, wenn Washington das Geld ausgeht?

Ein Händler arbeitet auf dem Parkett der New Yorker Börse. (Symbolbild)

Ein Händler arbeitet auf dem Parkett der New Yorker Börse. (Symbolbild)

Berlin. Seit Wochen schwebt der Streit zwischen Republikanern und Demokraten um die Anhebung der Schulden­obergrenze über dem politischen Geschehen in den USA. Jetzt könnte es ernst werden: Anfang Juni droht ein Zahlungs­ausfall der größten Volkswirtschaft der Welt, dessen Folgen weit über die Grenzen der USA hinaus reichen würden. Doch worum geht es bei dem Streit überhaupt? Und welche Folgen hätte ein Zahlungs­ausfall der USA für die Weltwirtschaft? Ein Überblick.

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Worum geht es beim Streit um die Schulden­obergrenze in den USA?

In der US-amerikanischen Verfassung ist festgelegt, dass der Kongress darüber entscheidet, wie viele Schulden aufgenommen werden dürfen. „Damit soll verhindert werden, dass es zu groben finanz­politischen Unregelmäßigkeiten kommt“, erklärt Laura von Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND). Der „Normalfall“ sei jedoch auch, dass diese Grenze in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder angehoben oder sogar ausgesetzt wurde. Seit 1960 ist das ganze 78-mal geschehen.

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Aktuell liegt die Schulden­obergrenze in den USA bei 31,4 Billionen US-Dollar. Erreicht wurde sie bereits am 19. Januar 2023. Seitdem kann die Regierung von Präsident Joe Biden nur mit „außerordentlichen Maßnahmen“ Abhilfe leisten. Das bedeutet, dass die USA an ihre Reserven gehen müssen, um weiter zahlungsfähig zu bleiben. Doch auch diese haben ihre Grenze: Laut neuesten Angaben von US-Finanzministerin Janet Yellen droht frühestens am 5. Juni ein Zahlungsausfall - nicht wie zuvor erwartet bereits am 1. Juni, wie am Freitag aus einem Schreiben an den Sprecher des US-Repräsentantenhauses hervorging.

Welche Folgen hätte ein Zahlungs­ausfall der USA?

Damit könnten die USA ihre laufenden Kosten nicht mehr decken. Löhne für Angestellte des Bundes und der Streitkräfte könnten nicht mehr gezahlt, Sozial­leistungen nicht mehr getätigt werden. Auch Unternehmen, die auf staatliche Gelder angewiesen sind, wären von einem Zahlungs­ausfall betroffen.

„Angesichts des drohenden Zahlungs­ausfalls besteht Anlass zur Sorge“, sagt die Finanzmarkt­expertin Laura von Daniels. Denn die Konsequenzen für die EU, aber auch für die gesamte Weltwirtschaft wären „dramatisch“, so die Leiterin der SWP-Forschungs­gruppe Amerika. Zunächst könnte es zu Kursverlusten an den US-Aktien­märkten kommen, was Anleger weltweit nervös machen würde.

Schwer­wiegender noch könnten die Auswirkungen auf US-Staats­anleihen sein: Diese haben noch einen guten Ruf und gelten bei Anlegern als sichere Bank. Doch infolge eines Zahlungs­ausfalls könnten auch die US-Anleihen an Wert verlieren – es droht ein Abverkauf. Damit wiederum kämen Banken in Gefahr, die ohnehin schon in Schieflage sind. Im vergangenen März mussten mit den Finanz­instituten First Republic, Signature Bank sowie der Silicon Valley Bank gleich drei US-Geldhäuser mit Milliarden­hilfen gerettet werden.

USA droht ein Zahlungs­ausfall: vorerst keine Einigung in Washington

Die Zeit drängt: Dem Finanz­ministerium zufolge droht den USA ohne eine Einigung ab Juni die Zahlungs­unfähigkeit.

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„Im Vergleich zum US-Dollar könnte der Euro zudem an Wert gewinnen“, sagt Laura von Daniels dem RND. Für eine auf Exporte angewiesene Nation wie Deutschland wäre das sehr ungünstig. Auch China wäre womöglich stark betroffen, da das Land je nach Schätzung die meisten, zumindest aber die zweitmeisten Staats­anleihen hält. „China hat sich zwar Berichten zufolge in den vergangenen Jahren bereits von rund 15 Prozent der US-Staats­anleihen getrennt, einen wirtschaftlichen Vorteil könnte das Land daraus aktuell im Falle eines Zahlungs­ausfalls aber nicht ziehen“, vermutet die Expertin für Staats­verschuldung und Finanzmarkt­krisen.

2011 hatte es in den USA zuletzt einen ähnlich erbitterten Streit um die Schulden­obergrenze gegeben. Auch damals sei zwar Nervosität auf den Finanz­märkten ausgebrochen, doch angesichts der damaligen Eurokrise hätten der US-Dollar und die US-Staats­anleihen sogar an Wert gewonnen, erinnert von Daniels. Wie genau sich ein Zahlungs­ausfall also auswirken würde, sei im Moment noch schwer absehbar.

Doch schon durch den bloßen Streit ist die Kredit­würdigkeit der USA in Gefahr: Die Rating­agentur Fitch sieht die Bonität der weltgrößten Volks­wirtschaft etwas kritischer und signalisierte am Mittwochabend eine mögliche Herabstufung. Die Kreditwächter behielten zwar das Toprating AAA bei, senkten den Ausblick für die Kreditwürdigkeit aber auf negativ, sodass eine Abstufung drohen könnte. Bereits der langwierige Streit im Jahr 2011 hatte dazu geführt, dass die Kredit­würdigkeit der USA zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft wurde. Standard & Poor’s strich damals die Topnote AAA und bewertet die USA seitdem mit AA+ – also eine Note schlechter.

Ist ein Zahlungs­ausfall tatsächlich realistisch?

USA-Expertin Laura von Daniels hält einen Zahlungs­ausfall der USA für eher unwahrscheinlich, denn bisher habe es immer eine Einigung gegeben. „Die Republikaner können den politischen Druck aber maximal erhöhen, sodass es zu einer Rettung in letzter Sekunde kommen würde.“ Damit würde sich die Geschichte wiederholen, da auch 2011 unter dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama nur mit Mühe ein Zahlungs­ausfall verhindert wurde. „Präsident Biden zeigt sich schon kompromiss­bereit. Es gibt Anzeichen, dass man sich in dem Konflikt näher kommt“, beobachtet von Daniels. Dennoch: „Es ist am wahrscheinlichsten, dass es Ende Mai zur Zuspitzung des Konflikts kommt.“

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Wie könnte eine Lösung des Streits aussehen?

„Die Republikaner haben bereits mehrere Vorschläge gemacht, die Demokraten akzeptieren jedoch bisher nicht“, erklärt die Politik­wissenschaftlerin. Laut der Nachrichten­agentur AP wollen die republikanischen Unterhändler in dem Streit nun jedoch den Druck erhöhen: Sie verließen kurzerhand die Hauptstadt Washington für das Wochenende – und das nur Tage vor dem drohenden Zahlungs­ausfall. Laut „New York Times“ hingegen zeichnet sich eine baldige Einigung ab: Die Unterhändler beider Lager hätten bereits mit der Ausarbeitung eines Gesetzes­textes begonnen, berichtete das Blatt am Donnerstag.

Im Gespräch sei aktuell eine Anhebung der Schulden­grenze um zwischen 3,5 und 4 Billionen US-Dollar, sagt von Daniels. „Fraglich ist jedoch noch immer, über welchen Zeitraum die Anhebung gelten soll.“ Diese Frage hat aktuell zusätzliche Brisanz, denn im kommenden Jahr stehen Präsidentschafts­wahlen in den USA an. „Wann die Anhebung der Schulden­obergrenze ausläuft, ist deshalb sowohl für die Demokraten als auch für die Republikaner wichtig“, erklärt die Expertin. Präsident Biden, der für seine Wiederwahl antritt, wolle einen erneuten Streit kurz vor den Abstimmungen vermeiden. Für die Republikaner könnte sich hingegen ein neues Druckmittel ergeben.

Am Donnerstag sagte Kevin McCarthy, Republikaner und Vorsitzender des Repräsentanten­hauses, dass „jede Stunde“ in den Gesprächen mit US-Präsident Biden und seinem Team zählen würde. „Wir haben den ganzen Tag mit dem Weißen Haus gesprochen“, erklärte McCarthy gegenüber Reportern. „Wir arbeiten hart daran, dass es klappt.“ Biden teilte im Weißen Haus mit: „Es geht um konkurrierende Versionen von Amerika.“

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Diese „konkurrierende Version“ der Republikaner sieht wohl einschneidende Kürzungen im Haushaltsjahr 2024 vor. Diese könnten zentrale Projekte der Biden-Administration vor allem im sozialen Bereich oder beim Klimaschutz angreifen. „Die Republikaner fordern unter anderem, den Zugang zum Arbeitslosengeld zu erschweren. Dem können die Demokraten jedoch nicht zustimmen“, erklärt von Daniels. Mit einer Einigung könnten laut „New York Times“ sogar Ausgaben in allen Bereichen außer beim Militär und bei den Veteranen begrenzt werden, dafür könnte die Schulden­obergrenze für insgesamt zwei Jahre angehoben werden.

Daneben gebe es auf republikanischer Seite jedoch noch eine sogenannte Wildcard, sagt USA-Expertin Laura von Daniels. Dabei handele es sich um den Freedom Caucus, eine Gruppe extrem rechter republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Diese hatten schon versucht, die Wahl von McCarthy zum Sprecher des Repräsentanten­hauses im vergangenen Januar zu blockieren. Der Republikaner konnte so erst im 15. Wahlgang die nötige Mehrheit auf sich vereinen. Nun sei die Frage, ob der Freedom Caucus in der Lage ist, viele Republikaner gegen einen Kompromiss im Streit um die Schulden­obergrenze zu mobilisieren, erklärt von Daniels.

Käme es wirklich zum Zahlungs­ausfall, sei aber auch für die Republikaner das politische Risiko enorm hoch, die Wählerschaft könnte die Partei als Schuldigen für ein mögliches Wirtschafts­chaos identifizieren. „Ein Zahlungs­ausfall wäre für alle Seiten sehr schädlich.“

mit Agenturmaterial

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