US-Forscher melden erstmals Energiegewinn

Fortschritt bei der Kernfusion: Ist das die Energiequelle der Zukunft?

Diese undatierte von der National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt die National Ignition Facility (NIF) Target Bay. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA haben Medienberichten zufolge einen historischen Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion erzielt.

Diese undatierte von der National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory zur Verfügung gestellte Aufnahme zeigt die National Ignition Facility (NIF) Target Bay. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA haben Medienberichten zufolge einen historischen Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion erzielt.

Energie erzeugen wie die Sonne – unerschöpflich und klimafreundlich. Das soll die Kernfusion möglich machen. Forschenden des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) im US-Bundesstaat Kalifornien ist es erstmals gelungen, bei einem Fusionsexperiment mehr Energie freizusetzen, als für das Experiment aufgewendet wurde. Ihre genauen Ergebnisse stellten sie am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit US-Energieministerin Jennifer Granholm vor. Diese sprach von „einer der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts“. Schon im Vorfeld wurde das Experiment als „großer wissenschaftlicher Durchbruch“ gefeiert.

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Doch ist die Kernfusion wirklich unsere Energiequelle der Zukunft? Wie funktioniert diese Kernverschmelzung überhaupt? Und wie klimafreundlich ist sie tatsächlich? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist Kernfusion?

Von einer Fusion spricht man, wenn mehrere Dinge miteinander verschmelzen. Eine Fusion ist also nichts anderes als eine Verschmelzung. Im Fall der Kernfusion sind es Atomkerne, die miteinander verschmelzen. Genau das passiert in der Sonne: Wasserstoff – das leichteste Element im Universum – verschmilzt zu Helium. Die gewaltigen Energien, die dabei erzeugt werden, geben der Sonne ihre Strahlkraft.

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Das gleiche Prinzip machen sich Forschende für Fusionsexperimente auf der Erde zunutze: Unter irdischen Bedingungen sind es die beiden Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium, die miteinander verschmelzen, wodurch ein Heliumkern entsteht. Zudem werden ein Neutron und große Mengen nutzbarer Energie freigesetzt – so zumindest die Theorie. Bisher scheiterten Experimente immer daran, dass am Ende weniger Energie erzeugt wurde, als zugefügt werden musste. Es gab also eher einen Energieverlust als einen Energiegewinn.

Was unterscheidet die Kernfusion von der Kernkraft?

Beide Begriffe eint, dass sie das Wort „Kern“ in sich tragen. Und tatsächlich spielen bei beiden Formen der Energiegewinnung Atomkerne eine Rolle.

Bei der Kernfusion verschmelzen Atomkerne – in diesem Fall sind es Wasserstoffatome – miteinander. Um diesen Prozess in Gang zu setzen, nutzten die Forschenden des LLNL 192 Laser. Genauer gesagt: die weltstärkste Laseranlage. Die Laserstrahlen richteten sich auf eine wenige Millimeter große Kapsel, in der sich ein Brennstoffpellet aus Wasserstoffkernen befand, und erhitzten sie.

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„Das ist schwierig“, sagte Sybille Günter, Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik, „weil die Situation, dass Laser auf eine schwere Schale schießen, in der sich leichterer Wasserstoff befindet, instabil ist.“ Das Brennstoffpellet müsse möglichst homogen bestrahlt werden. Die Forschenden in den USA verwendeten deshalb einen Hohlraum, in dem die Laser erst auf eine Wand schossen und dort Röntgenstrahlung erzeugten, „die sehr homogen ist“.

Bei der Kernkraft geht es hingegen darum, Atomkerne zu spalten. Bei der sogenannten Kernspaltung werden schwere Atomkerne, zum Beispiel von Uran oder Plutonium, mit Neutronen beschossen. Das führt dazu, dass die Kerne in mittelschwere Atomkerne abgespalten werden, wobei Energie freigesetzt wird. Es entsteht aber auch radioaktiver Abfall, der sehr lange Zerfallszeiten hat. Somit stellt er eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Aus der Vergangenheit sind zudem schwere Unfälle in Kernkraftwerken bekannt, etwa in Tschernobyl 1986 oder in Fukushima 2011. Die Kernfusion ist dagegen sicher: Bei einer Störung würde die Temperatur sinken und damit die Reaktionen unterbrechen.

Bei einer am 25. April 1986 durchgeführten Simulation eines Stromausfalls kam es zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg des Kernreaktors im Atomkraftwerk Tschernobyl, der am 26. April um 1.23 Uhr schließlich zur Explosion führte. Der Grund dafür waren schwerwiegende Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften. Auch die Bauart des graphitmoderierten Reaktors begünstigte die Explosion.

Bei einer am 25. April 1986 durchgeführten Simulation eines Stromausfalls kam es zu einem unkontrollierten Leistungsanstieg des Kernreaktors im Atomkraftwerk Tschernobyl, der am 26. April um 1.23 Uhr schließlich zur Explosion führte. Der Grund dafür waren schwerwiegende Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften. Auch die Bauart des graphitmoderierten Reaktors begünstigte die Explosion.

Ist Kernfusion radioaktiv?

Auch die Kernfusion funktioniert nicht ohne Radioaktivität. Eine wirklich umweltfreundliche Form der Energiegewinnung ist sie damit nicht. Ein Fusionskraftwerk, das 30 Jahre in Betrieb ist, kann je nach Bauart zwischen 60.000 und 160.0000 Tonnen radioaktiven Materials erzeugen, rechnet das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik vor.

Das Problem sind unter anderem die energiereichen Neutronen, die bei der Kernfusion freigesetzt werden. Wenn die beiden Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium miteinander verschmelzen, wandeln sie sich in Millionen Grad heißes Plasma um. Dieser Aggregatzustand entsteht, wenn man ein Gas extrem erhitzt. Die Neutronen verlassen das Plasma und treffen auf den Plasmabehälter. Dadurch aktivieren sie die Wände des Plasmagefäßes.

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„Wie intensiv und wie lang andauernd diese Aktivierung ausfällt, hängt von den Materialien ab, auf welche die Neutronen auftreffen“, schreibt das Max-Planck-Institut. Durch dieses Aufeinandertreffen können die Neutronen den Plasmabehälter radioaktiv machen. Ähnliches gilt auch für Spulen, Zu- und Ableitungen und das gesamte Stützgerüst eines Kernfusionsreaktors. Deshalb werden spezielle niedrig-aktivierbare Materialen für die Kernfusion entwickelt.

Das Endprodukt Helium ist wiederum nicht radioaktiv, ebenso wie der Ausgangsbrennstoff Deuterium. Dafür ist es aber Tritium. Das Wasserstoffisotop hat nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz eine Halbwertszeit von 12,3 Jahren. Das ist eine kürzere Zeitspanne als bei den Brennstoffen, die in den Kernkraftwerken genutzt werden. Tritium ist zudem extrem leicht, sodass es durch kleinere Lecks schlimmstenfalls entweichen könnte. Es braucht also entsprechende Sicherheitsvorkehrungen für Fusionskraftwerke.

Ein Endlager wird für den Strahlenmüll der Kernfusion aber nicht notwendig – vorausgesetzt, es werden entsprechende Materialen mit niedrigem Aktivierungspotenzial verwendet. Nach einer Wartezeit von 50 Jahren könnten vom gesamten radioaktiven Abfall je nach Bauart 30 bis 40 Prozent unbeschränkt freigegeben werden, heißt es vonseiten des Max-Planck-Instituts. Der übrige Abfall könne nach weiteren 50 Jahren recycelt und in neuen Kraftwerken wieder verwendet werden.

Wie klimafreundlich ist die Kernfusion?

Der radioaktive Abfall, der bei der Kernfusion entsteht, ist sicherlich ein Aspekt, der diese Form der Energiegewinnung nicht sonderlich klimafreundlich macht. Dass der Müll nicht Zehntausende, sondern nur 200 Jahre strahle, dürfte den kommenden Generationen kein Trost sein, argumentierte die Umweltorganisation Greenpeace. Sie bezeichnete die Kernfusion 2014 als „das neue atomare Milliardengrab“.

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Andererseits sind die Rohstoffe, die für die Kernfusion gebraucht werden, billig und auf der Erde gleichmäßig verteilt. Das macht es leichter, die Fusionskraftwerke zu betreiben. Deuterium gibt es in nahezu unerschöpflichen Mengen im Meerwasser. Schwieriger wird es mit Tritium, das kaum in der Natur vorkommt. Es kann jedoch aus Lithium gebildet werden, was auf der Erde ebenfalls reichlich vorhanden ist. Und gleichzeitig werden keine klimaschädlichen Gase bei der Kernfusion freigesetzt wie etwa CO₂, die die Erderwärmung beschleunigen.

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Ist die Kernfusion die Energiequelle der Zukunft?

Sie könnte es werden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, auf dem das Fusionsexperiment des LLNL einen wichtigen Meilenstein darstellt. Schließlich gibt es noch einige Herausforderungen, die gelöst werden müssen, ehe der Strom aus der Steckdose wirklich aus einem Fusionskraftwerk stammt.

Da wäre etwa der radioaktive Müll. Aber auch der hohe Druck und die hohen Temperaturen, die benötigt werden, um die Fusion der Wasserstoffatomkerne in Gang zu setzen. Denn die Atomkerne verschmelzen nicht von allein. Benötigt werden mehrere Millionen Grad Celsius. Der Sonne gelingt die Kernfusion durch ihre große Masse, die im Inneren einen gewaltigen Druck entstehen lässt und damit eine hohe Temperatur.

Der große Druck und die hohen Temperaturen sorgen dafür, dass die Sonne Wasserstoff zu Helium umwandeln kann.

Der große Druck und die hohen Temperaturen sorgen dafür, dass die Sonne Wasserstoff zu Helium umwandeln kann.

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Bei den Fusionsreaktoren auf der Erde werden der notwendige Druck und die Temperaturen auf zweierlei Weise erzeugt: zum einen durch starke Magnetfelder nach dem sogenannten Tokamak-Prinzip, das etwa beim International Thermonuclear Experimental Reactor, kurz ITER, in Frankreich angewendet wird. Zum anderen durch intensive Laser- und Teilchenstrahlung, wie sie bei den Fusionsexperimenten in den USA im Einsatz war.

Ein weiteres Problem ist und bleibt der Energiegewinn. Auch die Energiemengen, die das LLNL bei ihrem Experiment erzeugt hat, reichen noch nicht aus, um damit den Energiebedarf der Menschheit auch nur ansatzweise zu decken. Eigentlich müsse man einen Energiegewinn erzielen, der doppelt so hoch ist wie die Energie, die für die Laser benötigt werden, erklärte Tony Roulstone, Dozent für Kernenergie an der Universität von Cambridge. Bei dem Experiment in den USA betrug der Energieinput rund 2,05 Megajoule, heraus kamen am Ende aber nur 3,15 Megajoule.

Zudem muss berücksichtigt werden, dass bei allen bisherigen Fusionsexperimenten keine elektrische Energie erzeugt wurde, sondern thermische, also Wärme. Bei der Umwandlung von Wärme- in elektrische Energie kommt es wiederum zu Verlusten. Schätzungsweise können in der Regel nur 30 bis 50 Prozent der thermischen Energie als Strom genutzt werden. Und es bleibt auch die Frage, wie kontrolliert der Fusionsprozess in Zukunft ablaufen kann. Max-Planck-Direktorin Günter merkte an, dass ein Brennstoffpellet aus Wasserstoffkernen, wie es das LLNL verwendet hat, mindestens zehnmal pro Sekunde gezündet werden müsste.

Unklar ist außerdem noch, ob sich Energie aus der Kernfusion jemals kommerziell lohnen wird. Selbst wenn die Reaktoren funktionieren, könnten sie mit zu hohen Kosten verbunden sein. Kernfusion bleibt eine Milliardenwette. Das Experiment in den USA sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur kommerziellen Fusion, sagte Robin Grimes, Professor für Materialphysik am Imperial College London. „Dennoch ist es eine große Herausforderung, diese Energie so zu extrahieren, dass sie nutzbar gemacht werden kann, und Materialien zu entwickeln, die einem Dauerbetrieb standhalten können. Es besteht kein Zweifel, dass der Preis die Mühe wert ist. Ein Erfolg, wie lange er auch immer dauern mag, wäre von großer Bedeutung.“

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